Eine kleine Wochenschau | KW50-2023

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


11. Dezember 2023, Berlin

Der Sohn ist den vierten Tag in Corona-Isolation. Das Zimmer verlässt er nur, um ins Bad zu gehen, und immer mit Maske. Wir stellen ihm regelmäßig Essen vor die Tür, später räumt er das benutzte Geschirr in den Flur, wo wir es abholen. Er lebt quasi wie ein Gefängnisinsasse in Einzelhaft. Allerdings wie ein Gefängnisinsasse, der bestens mit elektronischen Unterhaltungsgeräten und Streamingdiensten ausgestattet ist.

Ab und an legt der Sohn auch seine Schmutzwäsche raus. Vielleicht ist er doch kein Gefängnisinsasse, sondern ein Hotelbewohner mit Room Service. Allerdings ein Hotelbewohner, der sein Zimmer nicht bezahlt.

12. Dezember 2023, Berlin

Der Sohn schickt ein Foto seines Coronatests in die Familien-WhatsApp-Gruppe. Negativ.

Nach einer Viertelstunde wundere ich mich, warum er nicht aus seinem Zimmer kommt. Ich gehe zu ihm. Der Sohn sitzt im Bett und erklärt, er wolle erst noch sein Mittagessen zu Ende essen. Prioritäten sind wichtig.

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Um in Weihnachtsstimmung zu kommen, schauen meine Frau und ich im Dezember ausschließlich Weihnachtsfilme. Da gibt es rührselige Familienfilme („Das Wunder von Manhattan“), moderne Klassiker („Love actually“) oder Komödien („Eine schöne Bescherung“).

Und es gibt die Kategorie der sogenannten Hallmark-Movies. Romcoms, die sehr wenig Rom und keinerlei Com verströmen und immer nach dem gleichen Muster ablaufen. Frau trifft am Anfang Mann, sie findet ihn erstmal doof, im Laufe des Films doch gut, dann bedroht ein Problem, Konflikt oder Missverständnis die romantische Zweisamkeit bedroht, aber zum Schluss kommen die beiden doch zusammen und alles ist Friede, Freude, Eierkuchen. (Oder Dominosteine.) Im Vergleich zu Hallmark-Movies sind die Plots von Pixie-Büchern hyperkomplex.

In der Welt der Hallmark-Movies sind die Protagonisten überdurchschnittlich häufig im gastronomischen oder Hotelgewerbe tätig. Selbstverständlich nicht im Fastfood-Sektor oder in großen, seelenlosen Hotelbunkern, sondern in familiengeführten Pensionen oder kleinen, pittoresken Cafés oder Bistros, die sie selbst gegründet und haben und in die sie ihr weniges Geld und ihr vieles Herzblut stecken. Das Kleinstgewerbe läuft allerdings nicht besonders bombe und steht häufig kurz vorm Bankrott. Sie müssen sich aber keine Sorgen um die wirtschaftliche Situation der Hallmark-Charaktere machen, denn in den 90 Filmminuten, blüht nicht nur die Liebe, sondern auch das Geschäft auf.

Allen Hallmark-Movies ist gemein, dass sie mit knappen Budgets produziert werden, was zu Lasten von Drehbüchern und Ausstattung geht. Die Dialoge klingen meistens als seien sie wahllos aus Kalenderblattweisheiten und Wand-Tattoo-Sprüchen zusammenkopiert und die Kulissen sind in jeder Szene so unwirklich, dass du dir selbst mit größter Phantasie nicht vorstellen kannst, dass dort echtes Leben stattfindet. Du kannst schon froh sein, wenn keine der Häuserfassaden umkippt.

Hallmark-Movies sind so gruselig, dass sie zwar keinerlei Weihnachtsstimmung hervorrufen. Dafür findest du danach dein echtes Leben trotz vorweihnachtlicher Hektik, Geschenkestress und Weihnachtsbäckerei-Chaos ziemlich gut findest.

13. Dezember 2023, Berlin

Auf meiner Laufrunde im Schlosspark kommt mir eine junge Frau entgegengejoggt. Als wir aneinander vorbei- gelaufen sind, bemerke ich, dass ich mich etwas aufgerichtet, die Brust rausgedrückt und die Schultern breit gemacht habe. Wie peinlich ist das denn? Ich bin doch in keiner „romantischen“ Weihnachtsschmonzetten unterwegs.

Wobei ich ein Kriterium für einen Hallmark-Film erfüllt habe. Die Frau fand mich wahrscheinlich ziemlich doof.

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Meine Kollegin C. und ich gehen nachmittags auf den Weihnachtsmarkt im Schultheiß-Quartier. Die Bezeichnung Weihnachtsmarkt ist vielleicht etwas irreführend. Es handelt sich um vier Buden, im Hof des Einkauf-Centers, von denen zwei geschlossen sind. An einem der offenen Stände werden Waffeln und Crêpes verkauft, an dem anderen Glühwein und Kinderpunsch. Die zwei Buden werden von einer Frau betreut.

C. und ich genehmigen uns zur Feier unseres Jahres einen Kinderpunsch. Außer uns stehen noch ein Mann und eine Frau an einem der Stehtische. Im Hintergrund läuft besinnliche Weihnachtsmusik. Jetzt fehlt nur noch ein wenig Kunstschnee und das ganze wäre so authentisch wie eine Hallmark-Kulisse. Wobei wir für Komparsen nicht chic genug angezogen sind. Außer der Film spielt in Moabit. Dann reicht es.

14. Dezember 2023, Berlin

Friseurbesuch. Um meine Haare für Weihnachten in eine akzeptable Form bringen zu lassen.

Die Friseurin ist eigentlich schon fertig, aber nachdem sie mich geföhnt hat, greift sie noch einmal zur Schere und schnipselt zwei-, dreimal an meiner linken Seite rum. Anschließend tritt sie einen Schritt zurück, schaut sich meine Haare an und sagt: „Yes!” Sie scheint außerordentlich zufrieden zu sein. Fehlt nur noch, dass sie eine Beckerfaust macht.

Sie hält mir den Spiegel an den Hinterkopf, damit ich das Ergebnis ihrer Arbeit begutachten kann. Ich will gerade sagen, dass ich ohne meine Brille nichts sehe, als sie fragt: „Yes?“ Ich nehme nur eine verschwommene, braune Fläche wahr, ohne irgendwelche Details zu erkennen. Wie es sich für einen guten Kunden gehört, sage ich trotzdem „Yes.“

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Als ich am späten Nachmittag spazieren gehe, tue ich etwas sehr Unerwartetes. Unerwartet für mich und unerwartet für Berlin. Ich grüße einen mir unbekannten Mann, der mit seinem Hund Gassi geht. Er reagiert darauf sehr erwartbar: gar nicht.


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