Gedankensplitter: Von unschönem Wetter, Anziehregeln und anderem

Der Morgen wartet mit einer unerfreulichen Kühle auf. Im Radio ist sogar von bald zu erwartendem Frost die Rede. Unschöne Aussichten.

Bei meiner Marathonvorbereitung, die ich gewöhnlich morgens absolviere, werde ich demnächst – heute? – wohl auf langärmlige Shirts zurückgreifen müssen und die langen Hosen sind auch nicht mehr fern. Auch unschöne Aussichten. Mein Laufvergnügen sinkt proportional zu Länge und Umfang der zu tragenden Bekleidung.

Am liebsten würde ich im Winter gar nicht laufen – Stichwort hautenge Laufleggings – aber genau in dieser Jahreszeit ist die sportliche Betätigung unabdingbar – Stichwort Weihnachtsgebäck.

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Schreiben gegen die Schreiblosigkeit

In unserem Badezimmer herrscht Tropenklima: 30 Grad und gefühlte Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent. Fehlen nur noch Orang-Utans, die sich von Liane zu Liane schwingen.

Schuld ist die Heizung. Die lässt sich nicht abstellen. Selbst auf Null läuft sie wie eine überambitionierte High-Performerin. Nicht in Teilzeit, sondern 24/7. Friedrich Merz würde vor Rührung weinen.

Wer dagegen ein Low-Performer ist: Ich. Seit Wochen nichts Neues auf dem ‚Familienbetrieb‘. Zuletzt am 22. August, vor einem Monat. Über unseren portugiesischen Supermarkt. Ist Ihnen wahrscheinlich nicht aufgefallen. Der Algorithmus mochte ihn nicht: zu wenig Wut, zu wenig Streit, zu wenig Hass. (Oder zu wenig Qualität?)

Vor vierzehn Tagen gab’s noch ein zweitverwertetes „Wenn ich groß bin, werde ich Gott“-Kapitel. Zum einjährigen Buchgeburtstag – und damit das Tumbleweed auf dem Blog nicht so auffällt.

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Fear and Loathing auf dem Elternsprechtag


„Donnerstag ist Elternsprechtag.“ Der Sohn ist gerade von der Schule nach Hause gekommen und steht in der Tür zu meinem Arbeitszimmer.

„Donnerstag ist Elternsprechtag.“ Ein Satz, der wenig Gutes erahnen lässt. Weniger als wenig. Gar nichts. Wie beim Zahnarzt „Das wird ein kleines bisschen wehtun.“, in der Fahrradwerkstatt „Billig wird das nicht.“ oder in der Bahn „Unsere Ankunft verspätet sich um wenige Minuten.“

Der Sohn würde mir diese Elternsprechtag-Information nicht mitteilen, wäre damit nicht die Erwartung verbunden, dass ich dort erscheine. Darauf habe ich wenig Lust. Weniger als wenig. Gar keine.

Meine Mutter war da anders. Die ging jedes Jahr freudig zum Elternsprechtag. Nicht, um meine schulischen Leistungen zu besprechen, die waren meist unauffällig. Nein, sie wollte die neuen Lehrerinnen und Lehrer kennenlernen und mit denen, die sie bereits kannte, ein Schwätzchen halten.

Ich dagegen bin nicht gut darin, mit Menschen zu reden, die ich nicht kenne. Außer an Karneval. Weil der Elternsprechtag aber nicht in einer Kneipe stattfindet und kein Kölsch gereicht wird, möchte ich da nicht hingehen. Meine Frau auch nicht. Nicht einmal in der Kneipe und mit Kölsch.

Bisher konnten wir in der Schullaufbahn unserer Kinder Elternsprechtage erfolgreich vermeiden. Nun ist der Sohn seit ein paar Monaten in der siebten Klasse auf dem Gymnasium, wo es nach dem ersten Halbjahr obligatorisch ist, dass sich Eltern mit allen Hauptfach-Lehrerinnen und -Lehrern treffen. Hätte ich das gewusst, hätten wir den Sohn auf einer anderen Schule angemeldet.

Fear and Loathing auf dem Elternsprechtag
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Post aus Portugal #15 | Supermarktbesuche. Oder: Die Entdeckung der Langsamkeit

„Bom dia.“ Die Begrüßung der jungen Frau hinter der Supermarktkasse war nicht übermäßig enthusiastisch. Eher geschäftsmäßig, wie eine lästige Pflicht, die zu erledigen war.

Sicherlich hatte der Marktleiter sie angewiesen, die Kund*innen willkommen zu heißen, jedoch vergessen, den Grad der an den Tag zu legenden Herzlichkeit näher auszuführen. Die hängenden Schultern und der abwesende Blick der Kassiererin signalisierten, dass sie lieber woanders wäre.

Diese Ausführungen sollen aber keine kleinliche Kritik eines nörgelnden Deutschen am portugiesischen Einzelhandelspersonal sein. Als Berliner stünde mir das gar nicht zu. Bei meinem Penny löst das ebenfalls keine Begeisterungsstürme aus, wenn ich an der Kasse erscheine. Dort bekomme ich auch keine Umarmung mit Küsschen links und Küsschen rechts. (Worüber ich aus einer Vielzahl von Gründen sehr dankbar bin.)

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Post aus Portugal #14 | Laufversuche

Donnerstagmorgen, kurz nach halb neun. Die Temperaturen: angenehm, die Luft: klar, Lissabon: in warmes Licht getaucht, der Tejo: schimmert bläulich. Ideale Bedingungen für meine morgendliche Laufrunde.

Zumindest in der Theorie. In der Praxis laufe ich nicht und runde auch nicht. Stattdessen liege ich bäuchlings auf dem Bürgersteig. An der Avenida Infante Dom Henrique, auf Höhe des Fähranlegers Terreiro do Paço, an dem die Pendler von der anderen Uferseite ankommen. Mit blutigen Knien, Ellenbogen sowie schmerzenden Händen.

Also, nicht die Pendler haben aufgeschlagene Knie und Ellenbogen und ihnen schmerzen auch nicht die Hände, sondern mir. Das ist unideal. Nicht nur für morgendliche Laufrunden, sondern in allen Lebenslagen.

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50 Fakten über mich

„50! Was jetzt schon?“ So trällerte Reinhard Mey vor über 30 Jahren. Seit heute muss, kann, darf ich mir die gleiche Frage stellen.

50. Wie konnte das passieren? Das entspricht so gar nicht meiner Selbstwahrnehmung, meiner Selbsteinschätzung, meinem Selbstverständnis. Ich halte mich natürlich nicht mehr für jugendlich. Das wäre selbstverleugnend, peinlich, zum Fremdschämen. (Obwohl mir eine umgedrehte Basecap nicht so schlecht steht.)

Aber ich habe keine allzu verstaubten Ansichten, habe noch nie CDU gewählt und finde auch nicht, dass früher alles besser war oder dass die Jugend von heute verdorben ist. Kurzum, ich fühle mich nicht alt, nicht frühvergreist, sondern einigermaßen jung geblieben.

Bis ich an einem Spiegel vorbeikomme. Da ist die 50 nicht mehr zu verleugnen. Der Bart ist grau, die Schläfen ebenfalls, um die Augen haben sich kleine Falten eingegraben und die Ähnlichkeit mit meinem Vater nimmt von Jahr zu Jahr mehr zu. Was prinzipiell nicht schlimm ist, allerdings ist er 82.

Nun also 50. Fünf Jahrzehnte. Ein halbes Jahrhundert. Das hört sich nicht schön an, das hat keinen guten Klang und das fühlt sich auch nicht gut an. (Vor allem nicht in den Knien, wenn ich nach längerem Sitzen aufstehe.) Aber da hilft kein Schimpfen, kein Jammern, kein Weinen. Das lässt sich nicht ändern, das ist der Lauf der Zeit, da muss man durch.

Zur Ablenkung von meiner zunehmenden Vergänglichkeit und zur Selbstreflektion habe ich 50 Fakten über mich gesammelt:

  1. Ich bin in Mannheim geboren, habe aber nie dort gelebt.
  2. Ich habe in acht verschiedenen Städten gewohnt.
  3. Ich habe 18 Länder auf drei Kontinenten bereist.
  4. Ich war schon mal in New York, aber noch nie auf Hawaii. Dafür bin ich bereits durch San Francisco gegangen, jedoch nicht in zerrissenen Jeans.
  5. Nach dem Zivildienst wollte ich Religionspädagogik studieren.
  6. Ich habe in Marburg, London, Bath und Berlin studiert, habe aber nur einen Abschluss. (Nicht in Religionspädagogik)
  7. Meine Frau und ich haben uns nur kennengelernt und unsere Kinder gibt es nur, weil ich eine Einschreibefrist in Münster verpasst habe.
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Post aus Portugal #13 | Portugiesische Sprache, schwere Sprache

„What kind of toast?“ Der junge Mann hinter der Coffeeshop-Theke schaute mich fragend an, ich schaute fragend zurück.

Gerade hatte ich im besten mir möglichen Portugiesisch zwei Cappuccinos bestellt. „Dois cappuccinos.“ Ein bitte hatte ich auch noch hinterher geschoben: „por favor“. Man möchte ja kein Tourist mit schlechten Manieren sein. Von Toast war keine Rede gewesen.

Den Satz hatte ich mir vorher zusammengedeeplt. Das mache ich immer im Ausland. Beim Einkaufen oder Essengehen versuche ich, ein paar Worte in der Landessprache zu sagen. Aus Höflichkeit, als Geste des Respekts, um zu zeigen, dass ich ein guter Gast bin. (Und weil ich ein verdammter People Pleaser bin.)

So machte ich das auch vor zwei Jahren in unserem Sommerurlaub in Setubal. Jeden Morgen übersetzte ich vor dem Mini-Mercardo am Handy den Satz „Ich hätte gerne sechs Brötchen, bitte.“ („Queria seis pãozinhos, por favor.“). Sicherheitshalber hörte ich ihn mir noch an, dann schritt ich mutig zur Tat und zur Brottheke.

Das funktionierte alles in allem ganz wunderbar. Abgesehen davon, dass wir zwei Wochen lang die gleiche Sorte essen mussten. Es war mir einfach zu herausfordernd, den Satz „Zwei davon, zwei davon und zwei von diesen appetitlich aussehenden Milchbrötchen.“ zu erlernen („Dois deles, dois deles e dois destes pãezinhos de leite de aspeto apetitoso.“)

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Post aus Portugal #12 | Ein Monat voller Feiertage

„I remember you. You’ve been here yesterday. And the day before”, sagte die junge Frau mit den dunklen Locken und der schwarzen Hornbrille und lachte mich an. „I like you. You are my favorite person.”

So etwas hört man natürlich gern. Dass man wiedererkannt und gemocht wird. Und nicht nur das. Man ist sogar eine Lieblingsperson.

Bedenklich war allerdings, dass es sich bei der jungen Frau, die sich so über das Wiedersehen mit mir freute, um die Sangria-Verkäuferin am São Pedro de Alcântara handelte, und ich die letzten drei Abende tatsächlich bei ihr war. Mehrfach.

Ein großer Sangria-Neon-Schriftzug an einem Getränkestand
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Post aus Portugal #11 | Holy shit. Die Stadtheiligen von Lissabon

Bevor ich nach Lissabon kam, hatte ich mich mit dem Thema Stadtheiligen nicht sonderlich viel beschäftigt. Und mit „nicht sonderlich viel“ meine ich „gar nicht“.

In Lissabon ist das nicht möglich. Die Stadt hat nicht nur einen, sondern gleich zwei Schutzpatrone: Den Heiligen Vinzenz und den Heiligen Antonius. Die beiden sind allgegenwärtig. Mit Statuen, Kirchen, Gemälden und Festen. Vor allem im Juni.

Aber wer waren die zwei zu Lebzeiten? Was hat sie als Menschen ausgezeichnet? Und warum wurden sie heiliggesprochen?

Fragen, die Sie wahrscheinlich nicht die Bohne interessieren und die ich nicht beantworten kann. Tauchen Sie stattdessen mit mir ein in eine Welt der Vielnamerei, der Vielgebeinerei und der Vielschutzpratonerei.

Bild der Sao-Antonio-Kirche in Lissabon
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Post aus Portugal #10 | Halbwissen über Lissabon

„Hello, my name is Beatriz and I am your tour guide.”

Es war Anfang Mai, wir wohnten noch in unserem muffigen Hochhaus-Airbnb, und standen mit rund zwölf Personen an der Statue des Dichters António Ribeiro Chiado, gegenüber des historischen Café A Brasileira, dem Ausgangspunkt für unseren gemeinsamen dreistündigen Stadtspaziergang.

Wie immer hatten wir eine englischsprachige Tour gebucht, um nicht mit einem Rudel Deutscher durch die Stadt latschen zu müssen. Diesmal funktionierte das auch, wie sich nach der Vorstellungsrunde rausstellte. Die Gruppe bestand aus Amerikanern, Engländern, Neuseeländern und einer Japanerin.

Außer uns war ein anderes Paar aus Deutschland dabei. Schon bevor sie sich vorstellten, meinte meine Frau, die beiden sähen deutsch aus. Wir möglicherweise auch. Ich glaube, es sind die Eastpak- und Fjällräven-Rucksäcke, die uns Deutsche verraten.

Gelber Lisboa-Schriftzug auf dem Praça do Comércio
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