¡Hola España! – Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

Während ich langsam aufwache, verflüchtigt sich wie gestern schon die Erinnerung an einen Traum, den ich nicht festhalten kann. Boris Becker taucht erneut nicht auf.

Starte den Tag mit meinem liebgewonnenen Kaffee-auf-dem-Balkon-trinken-und-aufs-Meer-schauen-Ritual. Heute bei Wind und morgendlich kühlen Temperaturen. Die ersten Jogger*innen laufen auf der Promenade, der Strand ist noch verwaist.

Laut Trainingsplan muss ich heute nur lockere zehn Kilometer absolvieren. (Geht doch, Trainingsplan-Ersteller-Christian.) Das ist ganz schön, weil nicht so weit und nicht so anstrengend. Gleichzeitig fehlt mir die Motivation, mich aufzuraffen, weil nicht so weit und nicht so anstrengend.

Da kannst du dir mit der Aufrafferei ein wenig Zeit lassen und der Kaffee will ja auch vorher getrunken werden, und einer von den Keksen gegessen werden, die so trocken sind, dass du einen weiteren Kaffee benötigst, um sie runterzuspülen. (Dafür haben sie kleine Schokostückchen. Immer das Positive sehen.)

Titelbild mit einem Mann, der auf einem Klappstuhl am Strand sitzt und aufs Meer schaut. Neben ihm steht ein zusammengeklappter Sonnenschirm

Ich laufe Richtung Salou und nutze die gemütliche Einheit als Foto-Safari.

Frühstück. Auf dem Weg unterhalb unserer Wohnung geht eine Frau Richtung Meer. Unvermittelt hält sie an, stellt ihr Handy auf einer Mauer ab, drückt auf Aufnahme und singt irgendetwas. Nach einer halben Minute packt sie das Handy wieder ein und setzt ihren Weg zum Strand fort.

Aufgrund des unfotogenen Hintergrunds, den sie gewählt hat und ihrer minimalistischen Choreographie und so schnell wie sie mit ihrem Video zufrieden war, vermute ich sie im Anfänger-Kurs der Influencer-Academy.

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Der 11. September ist in Katalonien Feiertag. Nicht weil 2001 ein paar Arschgeigen-Terroristen Flugzeuge in die Twin Towers gesteuert haben, sondern aus einem anderen Grund. Den hat uns Tami, unsere Stadtführerin in Barcelona, erzählt, aber ich habe ihn vergessen. Irgendeine Schlacht, die die Katalanen allerdings verloren haben.

Das finde ich ganz sympathisch: Trotzdem zu feiern, obwohl du geschlagen wurdest. Das heißt ja nicht, dass sich die Katalanen damals nicht angestrengt hätten. Da kannst du später auch als Verlierer feiern. (Außer du bist bei der FDP, dann findest du Verlieren total scheiße und Verlierer auch und dann willst du das auf gar keinen Fall feiern, aber das ist dann dein Problem.)

Meine Frau und ich wollen uns die Nationalfeiertagsfeierlichkeiten in Cambrils anschauen. Nun wälzen wir das Problem, in welcher Reihenfolge wir die Tagesaktivitäten Spaziergang nach Cambrils, Strandbesuch und Abendessen kombinieren können: (Aus der Reihe „Probleme, die du nur im Urlaub hast.)

  1. Zuerst nach Cambrils: Dort ist tagsüber vielleicht noch nichts los, weil die Nationalfeiertagsaktivitäten erst abends losgehen.
  2. Zuerst an den Strand: Dann müssten wir anschließend duschen, bei dem Fußmarsch nach Cambrils schwitzen wir wieder und müssten nach der Rückkehr noch einmal duschen. Das erscheint uns aus ökologischen Gründen unverantwortlich. Außerdem erschwert das die Terminierung des Abendessens. Wenn wir nach dem Strandbesuch zu Abend essen, wird es zu spät, um nach Cambrils und wieder zurückzulaufen, gehen wir wiederum zuerst nach Cambrils, wird es zu spät fürs Abendessen.

Am sinnvollsten wäre es, mit dem Abendessen zu beginnen, aber wir sind noch satt vom Frühstück. Schließlich entscheiden wir uns doch für die Reihenfolge Cambrils, Strand, Abendessen.

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Auf dem Weg nach Cambrils. „Weißt du wie der heißt?“ Meine Frau zeigt auf einen Baum am Wegesrand und will den Namen desselbigen von mir wissen.

Wir sind seit mehr als 27 Jahren zusammen. Wie wenig kennt mich meine Frau, dass sie auf die Idee kommt, ich hätte die Namen von Bäumen parat? Würde sie mich fragen, gegen wen Deutschland bei der WM 1982 in der Vorrunde gespielt hat, wäre das kein Problem. Da käme meine Antwort wie aus der sprichwörtlichen Pistole geschossen: „Algerien 1: 2, Chile 4:1, Österreich 1:0.“

Meine Baumnamenkompetenz geht dagegen gegen Null. Außer bei Birken (weiße Rinde) und Ahorn (Blätter wie auf der kanadischen Flagge).

„Welchen meinst du denn?”“, frage ich zurück. Natürlich kenne ich von keinem der Bäume am Wegesrand den Namen – sofern dort keine Birken und Ahornbäume stehen. Aber ich möchte sichergehen, dass ich bei dem richtigen Baum sage, dass ich keinen Schimmer habe.

An einem kleinen Meeresausläufer kurz vor Cambrils bewegt sich etwas im Schilf. Ein Wildschwein, wie sich herausstellt. Nicht monströs groß, aber groß genug, dass ich froh bin, dass wir auf der Brücke stehen und das Tier darunter.

Damit rechnest du ja nicht unbedingt, wenn du Urlaub am Meer machst. Dass du einem Wildschwein in freier Wildbahn begegnest. Oder fast schon in freier Stadtbahn. Vielleicht sollte ich morgen, wenn ich hier vorbeijogge, etwas aufmerksamer die Landschaft beobachten.

Wildschwein, im Schilf

Nach einer knappen Stunde Fußweg erreichen wir Cambrils. Von Nationalfeiertagsfeierlichkeiten keine Spur. Keine Fahnen, keine Wimpel, keine Girlanden, keine Musik, keine Imbiss- und Getränkestände. Nichts. Überhaupt nichts.

Auch keine Poster die irgendetwas ankündigen. Nur ein rotes Plakat, auf dem eine schwarze Katze abgebildet ist und auf deren Kopfhöhe eine Pistole ins Bild ragt. Das hat aber nichts mit dem katalanischen Feiertag zu tun, sondern bewirbt eine Aufführung im örtlichen Theater.

Don’t kill the cat

Fortsetzung

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