Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.
Der letzte Urlaubstag beginnt wie der erste. Mit klingelndem Handywecker um 6 Uhr. Der letzte 35-Kilometer-Lauf des Urlaubs steht an. (Eigentlich liegt der lange Lauf immer auf dem Samstag, aber da reisen wir, auf den Sonntag schieben geht auch nicht, da reisen wir immer noch, und einfach ausfallen ist ebenfalls keine Option, von wegen böses Erwachen beim Köln-Marathon und so.)
Das Wetter macht die Aussichten auf den heutigen Lauf noch unschöner. Es regnet. Nicht nur ein paar Tropfen, sondern richtig ordentlich Schutt. Niederschlagslevel Monsun.
Erstmal abwarten und im Handy versinken. 30 Minuten später. Keine Änderung an der Wetterfront. Immer noch Regen, immer noch richtig ordentlicher Schutt, immer noch Niederschlagslevel Monsun.
Vom Balkon aus sehe ich einen einsamen Läufer auf der Strandpromenade vorbeiziehen. Streber.
Weiter abwarten. Zwei Bananen, einen Kaffee und eine Handy-Session später weiterhin Dauerschutt, nach einer nächsten Scrolling-Session und dem Dehnprogramm, hat der Regen aufgehört. Beziehungsweise nieselt nur noch. Keine Ausreden mehr, die Ferienwohnung nicht zu verlassen und loszulaufen.
Das Training auf der Strandpromenade ist eigentlich sehr angenehm, weil du nicht von Autos, LKWs und Motorrädern behelligt wirst. Auf Dauer aber auch ziemlich öde. Du läufst mehr oder weniger andauernd geradeaus und kommst immer wieder an den gleichen Stationen und Wegmarkierungen vorbei. Lauf für Lauf, Tag für Tag, Woche für Woche.
Richtung Cambrils kommt zuerst die weiße Strandbar, dann das öffentliche WC, anschließend der Tennis-Court, der weiße Turm, eine Holzbrücke, noch eine Holzbrücke, die Freiluft-Fitness-Anlage, der Hafen, der Steinturm, die Installation mit den riesigen Meerjungfrauen, die Segelboot-Installation, der Cambrils-Schriftzug, die komische Kurve, eine weitere Holzbrücke, die Schule für Tourismus, der merkwürdige Fußgänger-Kreisel, das hohe Haus, das Ende der Promenade und der Anfang des unbefestigten Weges, die Brückenpfeiler mit den Graffiti, der Fahrradweg an der Straße, die Pinienbaum-Plantage, die Steindoggen auf den Säulen links und rechts von der Hof-Einfahrt, die ins nirgendwo führt, und dann der große Kreisel, wo du umkehren musst, weil du sonst auf der Schnellstraße landest, und dann geht es an all diesen Punkten vorbei zurück zur Ferienwohnung.
Wenn die erreicht ist, weiter Richtung Salou. Trampolin, erstes Frühstückscafé, zweites Frühstückscafé (mit der leckeren Pancake-Werbung), das Hotel mit den gelben Markisen, das Hotel mit den blauen Fliesen, das Hotel mit der Plexiglasscheibe vor dem Poolbereich, der Salou-Schriftzug, der Bingo-Club, der Springbrunnen mit der Schnecken-Skulptur, die Schildkröten-Street-Gallery, das merkwürdige Monument, noch ein Salou-Schriftzug, das Maskottchen des Vergnügungsparks, die Frühstückscafés mit den Frühstücksbier-Trinkern, der dritte Salou-Schriftzug, noch ein merkwürdiges Monument, die Ritter-Statue und wieder zurück.
Heute habe ich für all das kein Auge, ich muss die vielen Pfützen auf dem Promenadenweg im Blick behalten. Wenigstens von oben bleibt es trocken. Aber nur bis Kilometer 18/19. Da tröpfelt es los, geht in richtigen Regen über, bis der Himmel so richtig die Schleusen öffnet. Innerhalb weniger Minuten bin ich von oben bis unten nass, mein Shirt und meine Hose kleben an meinem Körper.
In Romcoms ist es romantisch und sogar ein wenig erotisch, wenn sich das Liebespaar im strömenden Regen küsst. Läufst du bei gleichen Witterungsbedingungen, ist das nur nass und kalt. Keinerlei Romantik und Erotik unter Normalnull.
Der Regen nimmt weiter zu, auf dem Meer zieht ein großer Holzkahn vorbei. An Deck stehen paarweise Tiere, ein bärtiger Mann in langem Gewand winkt mir zu.
Die Pfützen werden stetig größer, breiter und tiefer. In Salou sind sie zu kleinen Bächen angeschwollen, die den Weg queren. Keine Chance, ihnen auszuweichen. Einfach reintreten, zwei, drei Züge machen und am anderen Ende wieder auftauchen.
Ob in den Frühstückscafés am Ende der Promenade, die ersten Biere gezischt werden, kann ich nicht erkennen. Meine Brille ist über und über mit Regentropfen bedeckt.
Zurück Richtung Ferienwohnung. Der Regennimmt ab, die Tiefe der Pfützen nicht. Nach 3 Stunden 50 Minuten zeigt meine Uhr 35 Kilometer an. Geschafft.
Gerne würde ich sagen, es fühlt sich gut an, den Lauf gemacht zu haben. Dafür bin ich aber zu nass.
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Mein Handy schüttet mich wieder mit Nachrichten zum morgigen Reisetag zu. Booking.com informiert mich per Mail, dass mich das Hotel in der App über die Check-In-Details informiert hat, die App informiert mich ebenfalls darüber und das Hotel informiert mich auch noch direkt. Informationen, Informationen, Informationen.
In einer SMS schlägt das Hotel vor, ich solle Online einchecken. Die Nachricht ist komplett in Großbuchstaben verfasst und liest sich weniger wie ein Vorschlag, sondern mehr wie ein Befehl. CHECK! DICH! EIN!
Booking schickt noch ein paar Tipps für Unternehmungen in Avignon. Wir könnten uns den Papstpalast und die Brücke anschauen. Oder einen Ausflug in die Camargue machen. Was eine ziemliche Ohrfeige für Avignon ist, wenn als Top-Aktivität vorgeschlagen wird, das Umland zu besuchen. Außerdem wird eine Führung im Weinmuseum Brotte empfohlen. (Bestseller und beliebt bei Paaren)
Schließlich kommt noch eine Mail von Renfe zur Fahrt von Barcelona nach Avignon. Da wieder alles auf Spanisch und Französisch ist, habe ich keine Ahnung, um was es geht. Zumindest glaube ich nicht, dass die Verbindung ausfällt. Genau werden wir es morgen wissen.
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Verbringen den Nachmittag mit ein bisschen Aufräumen und Rucksäcke packen, mit Resteessen (selbstgemachter Bananen-Joghurt, Brote mit Nocella-Creme, Kekse, Nachos) und Proviant für die Fahrt richten.
Wegen des Dauerregens können wir nicht raus und spielen die letzten drei Partien unseres Urlaubs-Kniffel-Duells. Ich starte mit einem komfortablen Vorsprung von mehr als 200 Punkten, 38 davon rette ich in die Endabrechnung.
Knapp, aber egal. Danach fragt später niemand, wenn über meine Kniffel-Triumphe 2024 gesprochen wird.
Alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs finden Sie hier:
- Vorbereitung (03.09.): Zurück in die Vergangenheit
- Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn
- Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus
- Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln
- Ankunft (07.09.): Blick aufs Meer (und ein bisschen Parkplatz)
- Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf
- Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?
- Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal
- Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige
- Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt
- Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond
- Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch
- Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)
- Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen
- Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer
- Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts
- Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche
- Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)