Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.
7.45 Uhr. Aufwachen, rein in die Sportklamotten, raus auf den Balkon. Banane, Kaffee, Keks, aufs Meer schauen.
Lust auf einen zweiten Kaffee, aufgrund verfehlter Einkaufsplanung sind nur jedoch noch drei Kapseln da. Eine für meine Frau, zwei fürs Frühstück. Kaffee 2.0 muss ausfallen. Verdammt.
Stattdessen dehnen, Laufschuhe an und runter auf die Promenade. Heute steht ein „flotter Zehner“ an. Das ist kein Ausdruck für eine fröhliche Gruppensex-Veranstaltung, sondern die Bezeichnung für einen Zehn-Kilometer-Lauf in forderndem Tempo. (Plus jeweils zwei Kilometer Ein- und Auslaufen in nicht forderndem Tempo.)
Am Rande der Promenade steht wieder der Ü70 Personal Trainer und überwacht mit Stoppuhr und Trillerpfeife das Training seines U40 Schützlings. Der Mann schwitzt ordentlich, der Personal Trainer nicht.
Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Außer dass ich mal ein paar Läufer*innen überhole. Darunter meine Frau, wie sie mir später erzählt, aber das habe ich nicht mitbekommen. (Stichwort voller Fokus aufs Laufen)
Frühstück auf dem Balkon. Es ist schattig und der Wind windet recht stark. Uns fröstelt ein wenig. Wenn du seit über einer Woche bei herrlichem Wetter Urlaub in Spanien machst, eine Wohnung mit Balkon hast und beim Essen aufs Meer schauen kannst, hält sich das Mitleid in Grenzen, wenn du über ein wenig Zug klagst. Dafür sammelst du keine Sympathiepunkte. (Stichwort: das im Hals kratzende Goldlöffelchen) Deswegen klage ich nicht, sondern halte das lediglich fest. (Stichwort: Chronistenpflicht des Urlaubsbloggers.)
Dann ist da noch der Mann im Garten, der mit einem Rasenkantenschneider das Gras stutzt. „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“, hat er sich bestimmt anders vorgestellt.
Gestern hat schon jemand auf der Promenade vor unserem Haus mit einem Laubbläser die runtergefallenen Piniennadeln weggepustet. (Somit war der Laubbläser eigentlich ein Piniennadelbläser.)
Der Rasenkantenschneider ist der laute Bruder des Laubbläsers. Ich beschwere mich aber nicht, ich notiere das nur. Der Deutsche in mir fragt sich allerdings schon, ob das um diese Uhrzeit überhaupt erlaubt ist: einen Rasenkantenschneider zu benutzen. „Diese Uhrzeit“ ist jedoch 11.45 Uhr und da darfst du auch in Deutschland so viele Rasenkanten schneiden und so viel Laub blasen, wie du lustig bist.
Ohnehin sind wir die einzigen, die so spät frühstücken. Ich glaube, die Menschen, die an unserer Wohnung vorbeikommen und uns auf dem Balkon sehen, halten uns für Freaks.
Wir sind auch fast die einzigen, die in der Appartementanlage wohnen. (Stichwort Nebensaison) Da kann dann niemand wegen eines Rasenkantenschneiders nörgeln. Nur wir. Aber das tun wir ja nicht, sondern wir nehmen das einfach sachlich zur Kenntnis.
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Da wir keinen zweiten Kaffee trinken können, beenden wir das Frühstück. Während wir abräumen, piepst plötzlich der Herd. Weil meine Frau ein Handtuch darauf abgelegt hat. Obwohl er nicht einmal an war. Sissy!
Wobei wir so etwas in Berlin gut gebrauchen könnten. Für zwei Menschen mit Hochschulabschluss – eine sogar mit Promotion – legen wir erstaunlich häufig Topflappen auf heiße Herdplatten und kokeln sie an.
Könnte unser Herd reden, würde er wahrscheinlich sagen: „Wie oft denn noch? Seid ihr dumm, oder was?“ Das wäre zwar etwas harsch, aber auch in dieser Schärfe durchaus gerechtfertigt. Unsere Lernkurve diesbezüglich ist wirklich sehr flach. Eigentlich haben wir gar keine.
Zum Glück versorgt uns Mutter regelmäßig mit neuen Topflappen, wenn die bei Tchibo, Kaufland oder Aldi im Angebot sind. Somit ist für einen stetigen Topflappennachschub gesorgt, der dann irgendwann auf der heißen Herdplatte landet.
Am Strand. Die Altersstruktur der Urlaubenden hat sich im Vergleich zur Vorwoche verändert. Da waren hier noch mehr jüngere Menschen, jetzt sind es vermehrt Familien mit kleinen Kindern und Senior*innen. Wir liegen irgendwo dazwischen. Gehören weder zu den Familien mit kleinen Kindern noch zu den Senior*innen. Letzteres zumindest in unserer Selbstwahrnehmung.
Denke beim Dösen über Formulierungen für den Urlaubsblog nach. Der geniale Fortuna-Ehrenfeld-Frontmann Martin Bechler hat in einem Interview mal gesagt, beim Texten lasse er die ersten vier, fünf Ideen erstmal vorüberziehen. Die wären sowieso nicht so gut, erst danach lohne es sich Textfragmente und Verse festzuhalten.
Ich notiere dagegen alle Formulierungen, die mir in den Sinn kommen, immer sofort. Weil ich Angst habe, dass da nichts besseres kommt. Deswegen schreibt Martin Bechler auch geniale Zeilen wie „Von deinen fifteen famous minutes ist die vierzehnte grad um“ und ich, dass ein flotter Zehner keine Gruppensex-Veranstaltung ist. Jeder wie er kann.
Außerdem muss ich direkt alles aufschreiben, weil ich das sonst unverzüglich vergesse. Über Jan Weiler habe ich mal gelesen, er formuliere auf stundenlangen Spaziergängen Texte im Geiste und tippe sie dann zuhause ab. Deswegen ist Jan Weiler ein Millionen-Bestseller-Autor und ich verkaufe Bücher auf meinem Blog. (Diese Aussage ergibt nur Sinn, wenn Sie tatsächlich die Bücher kaufen. Also tun Sie das bitte zahlreich.)
Alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs finden Sie hier:
- Vorbereitung (03.09.): Zurück in die Vergangenheit
- Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn
- Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus
- Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln
- Ankunft (07.09.): Blick aufs Meer (und ein bisschen Parkplatz)
- Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf
- Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?
- Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal
- Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige
- Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt
- Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond
- Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch
- Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)
- Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen
- Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer
- Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts
- Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche
- Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)