¡Hola España! – Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

Aufmerksame Stammleser*innen kennen inzwischen mein liebgewonnenes Morgenritual. Auf dem Balkon sitzen, mit Kaffee und Keks den Meerblick genießen. Seit Beginn des Urlaubs habe ich dafür einen Stammplatz, seit 11 Tagen sitze ich ganz rechts, mit bester Sicht auf Strand und Wasser.

Heute ist alles anders, heute sitze ich ganz links, mit ein bisschen Meerblick und ganz viel Andere-Ferienwohnungen-Blick. Von Genießen keine Spur, ich bin hochgradig angespannt, habe den Keks hinuntergeschlungen und trinke meinen Kaffee in kleinen, hektischen Schlucken. Immer wieder schaue ich mich paranoid um.

Der Grund für meine Nervosität: eine monströs große Heuschrecke. Die habe ich heute früh an der rechten Balkontür entdeckt. Dort hockt sie fast auf Höhe meines angestammten Platzes. Sie kommt mir bekannt vor. Ich glaube im letzten Jurassic-World-Film hat sie als Stuntdouble für den riesigen Dinosaurier zum Schluss mit dem T-Rex gekämpft. Bei der Größe der Heuschrecke gehe ich davon aus, sie ist in einem Atomkraftwerk aufgewachsen.

Wenigstens hat sich das Ding nicht in unsere Wohnung verirrt. Eine Vorstellung, die mich an den Rand einer Ohnmacht bringt.

Titelbild mit einer sehr großen Heuschrecke, die am Rand einer Balkontür sitzt

Habe mich noch nie so sehr auf meinen Lauf gefreut wie heute. Im Plan stehen lockere zehn Kilometer. Vielleicht mache ich flotte 50 daraus. Hauptsache weg von der Monsterschrecke.

Ich wähle den Weg Richtung Salou. Auf Höhe des Cafés mit der leckeren Pancake-Werbung kommt mir ein Mann entgegen, der mich an den spanischen Fußballer Iniesta erinnert. Aber der ist das bestimmt nicht. Ich weiß gar nicht, ob der noch aktiv ist und gerade irgendwo spielt. In Japan oder Saudi-Arabien oder so. Und wenn ich darüber nachdenke, weiß ich nicht einmal, wie Iniesta aussieht.

Kurze Zeit später eine Frau, die Ähnlichkeit mit der Nationalspielerin Alexandra Popp aufweist. Nur etwas älter und breiter. Vielleicht ihre Schwester? (Sie wissen schon: Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.)

Laufe an einem der Holz-Aussichtstürme der Rettungsschwimmer vorbei. Er zeichnet sich hart gegen den Horizont ab, wo die Wolken so schwarz sind, als stünde das Ende der Welt unmittelbar bevor. (Vielleicht ist die Heuschrecke ein Vorbote der Apokalypse?)

Idee für eine schöne Geschichte: Über den Wächter am Ende der Welt, dessen Aufgabe darin besteht, Passierscheine zu kontrollieren. Damit alles seine Ordnung hat. Um sein Gehalt aufzubessern, verkauft er Süßigkeiten. (Werbeplakat: „Last sweets before the end of the world”)

Naja, eher so ein Ein-Euro-Szenario. Da muss noch jemand Arbeit in die Plotentwicklung stecken. (Ich nicht.)

In Salou fährt die Bimmelbahn an mir vorbei. Mit der kannst du durch den Ort und bis nach Cambrils zockeln. Bimmelbahn fahren war früher eine der Urlaubsaktivität mit den Kindern, die für Eltern extrem öde ist, dir aber eine halbe Stunde ohne Quengelei beschert. (Im Gegensatz zu Minigolf, was für Eltern ebenfalls extrem öde ist, wo aber spätestens auf Bahn 3 Kinder-Quengelei vorprogrammiert ist.)

In den Wägelchen hocken erstaunlich viele mittelalte und ältere Paare ohne Kinder. Wenn du 20 Jahre und länger zusammen bist, freust du dich anscheinend auch über 30 quengelfreie Minuten.

In einem der Lokale am Ende der Strandpromenade ist wieder Frühstücksbier-Zeit. Ist ja auch schon halb elf. Diesmal eine Vierergruppe von mitteljungen Männern. Jeder von ihnen hat neben einem imposanten Bierhumpen ein Glas O-Saft vor sich stehen. Ist ja wichtig, für Vitaminzufuhr zu sorgen. Wegen der Gesundheit und so. Die Bierhumpen sind deutlich leerer als die O-Saft-Gläser.

Auf dem Rückweg fängt der Regen an. Zunächst ein paar Tropfen und ich amüsiere mich über die Menschen, die sofort ihre Regencapes überstreifen und ihre Schirme aufspannen.

Nach ein paar Minuten schüttet es. Innerhalb kürzester Zeit bin ich pitschnass. Jetzt wären ein Cape oder ein Schirm doch ganz schön. (Noch schöner wäre es, zuhause zu sein.) Nun amüsieren sich wahrscheinlich die becapeten und beschirmten Menschen über mich.

Ungefähr 500 Meter vor unserer Ferienwohnung grüßt mich ein entgegenkommender Jogger. Er ist nicht muskelbepackt und durchtrainiert wie der oberkörperfreie Läufer gestern. Im Gegenteil. Er ist stämmig, schweratmig und genauso durchnässt wie ich. Eine eher traurige Erscheinung. Wahrscheinlich hält er uns für „Partner in Leid“.

In einem Anflug unangemessener Überheblichkeit denke ich: „Bestimmt sehe ich fitter aus und er hält mich für den Alpha Dude.“ Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Okay, sehr unwahrscheinlich und so gut wie unmöglich. Deswegen winke ich trotzdem zurück.

Zuhause Blick in den Spiegel. Nach zwei Wochen Urlaub ist mein Bart, sagen wir, etwas struppig. Sehe aus wie eine Mischung aus genialem, leicht verrücktem Philosophieprofessor und Schiffbrüchigem, der seit acht Monaten auf einer verlassenen Insel lebt. Bei genauerem Hinschauen vielleicht auch nur wie der Schiffbrüchige.

Ziemlich grau ist meine Gesichtsbehaarung auch. Oder wie Jack Black kürzlich im Podcast von „Conan needs a friend“ gesagt hat: „It’s more salt than pepper.“ Das trifft bei mir auch zu. Wobei mein Bart fast schon weiß ist mit wenigen schwarzen Sprenkeln. Nicht wie Salz und Pfeffer, sondern mehr wie ein verschneiter Gehweg, auf den Split gestreut wurde. Zumindest hat kein Hund drauf gepinkelt.


Fortsetzung

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