Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.
Frühstück. Bin heute nicht gelaufen und habe bisher kaum geschwitzt, so dass ich trotz der mundgerechten Darreichung keine rechte Lust auf Obst verspüre. Dafür auf Kuchen und Teilchen. Was eher ungünstig ist, weil ich heute nicht gelaufen bin und bisher kaum Kalorien verbrannt habe. Dem Kuchen und den Teilchen ist das egal.

Auf dem Weg zum Bahnhof. Knapp 30 Grad, die Luftfeuchtigkeit fühlt sich dreistellig an. Nicht die besten Bedingungen, um einen Trekking-Rucksack auf dem Rücken, einen vollgepackten kleinen Rucksack vor der Brust und eine Tragetasche in der Hand zu schleppen.
Sofort als ich vors Hotel trete, merke ich, dass ein graues T-Shirt anzuziehen, keine besonders smarte Idee war. Im Gegenteil. Der Schweiß läuft mir die Stirn, den Rücken und die Brust hinunter, dunkle Flecken breiten sich auf dem Shirt aus, bis sie sich zu einer einzigen großen, feuchten Fläche vereinigen.
Nach drei Minuten sehe ich wie der Typ aus, neben dem du im Zug auf keinen Fall sitzen möchtest. (Meine Frau sieht das wahrscheinlich ähnlich.)
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In der U-Bahn-Station Alfons X. sitzt ein Mann und spielt Akkordeon. „The winner takes it all” von ABBA. Mir fällt das hübsche Zitat von Tom Waits ein: „A gentleman is someone who can play the accordion, but doesn’t.“
Als wir das Ende des Gangs erreichen, fängt der Mann wieder von vorne an. Vielleicht kennt er nur das eine Stück.
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Am Bahnhof Barcelona Sants Treffen mit meinem Bruder und der Tochter seiner spanischen Lebensgefährtin. Er hat sie gestern mitsamt einer 90×200-Zentimeter-Matratze von San Sebastian nach Barcelona gefahren. Am Montag beginnt für sie die Uni wieder.
Mein Bruder und ich berichten uns gegenseitig von unseren Lauferlebnissen in Barcelona. Von hohen Temperaturen, tropischer Luftfeuchtigkeit und brutalstmöglichen Steigungen. Und wie wir das heldenhaft gemeistert haben. Unverständlich, wenn nicht gar ärgerlich, dass wir dafür nicht das goldene Sportabzeichen ehrenhalber verliehen bekommen.
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Am Bahnsteig spricht uns ein asiatischer Mann an. Ob der Zug nach Salou in einem bestimmten Ort hält, will er wissen. Wir verstehen nicht, welchen Ort er meint, und erklären, wir hätten keine Ahnung. Auf der Fahrtanzeige am Bahnsteig wären aber in Rot die Zwischenhalte aufgelistet. Er bedankt sich mit einem freundlichen „Gracias“, was bei mir die Frage aufwirft, ob unser Englisch so schlecht war, dass er uns für Spanier gehalten hat.
Der Zug entpuppt sich als eine Art Regional-Express, aber in neu, sauber und klimatisiert. Die Strecke schlängelt sich am Meer entlang, alles sehr malerisch und idyllisch.
An einem Tisch schräg vor uns unterhält sich ein Paar aus Schweden – etwas älter als wir – mit einem italienischen Paar – etwas jünger als wir. (Das heißt die Schwed*innen sind wahrscheinlich genauso alt wie wir, die Italiener*innen ungefähr Anfang dreißig.)
Der Schwede erzählt, sie würden in Salou Freunde besuchen, die dort Urlaub machen. Die wüssten nichts davon, das solle eine Überraschung sein. Hoffen wir mal, dass es eine freudige wird.
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20-minütiger Fußmarsch vom Bahnhof Salou Porta Ventura zur Ferienhaus-Verwaltung. Dort anderthalb Stunden warten, bis die Siesta rum ist.
In der Schlange steht hinter uns ein Rentner*innen-Paar. Sie kommen ursprünglich aus Leipzig, leben mittlerweile aber in Kassel. Seit 2011 machen sie jedes Jahr Urlaub in Vilafortuny. Ein bisschen sehen sie so aus. Sie mit blondierter Dauerwelle und Bluse mit großem Blumenmuster, er mit weißem Schnauzer, Brille und Pepitahütchen.
Zum Abschied geben sie uns den Tipp, die schönsten Lokalen wären kulinarisch nicht immer die besten. Bin mir unsicher, ob das im Umkehrschluss heißt, je ranziger der Laden desto besser die Essensqualität.

Nach der Schlüsselübergabe Taxifahrt zur Ferienwohnung. Im Radio läuft ein Oldie-Sender, der Fahrer pfeift fröhlich mit. Zuerst bei Bruce Springsteen, dann bei den Monkeys. Bei ABBA bleibt er stumm. Merkwürdig.
Vilafortuny ist – sagen wir es so – touristisch gut erschlossen. Viele Hotels, viele Restaurants, viele Shops mit Strandbedarf. Sieht aber alles noch okay aus. Meistens.
Bei einem Restaurant ist im Vorgarten eine Girlande mit englischen und irischen Wimpeln aufgespannt. Eine eindeutige „red flag“, dort nie hinzugehen. (Sorry, C.) Über einem Souvenir-Laden hängt ein Schild: „British Food“. Da stellt sich sofort die Frage: Werbung oder Warnhinweis? So wie „Vorsicht, bissiger Hund“ oder „Achtung, radioaktiv!“
Nach einer knappen Viertelstunde erreichen wir die Wohnung. Der Fahrer hält an einer Bushaltestelle. Das Taxameter zeigt 15,98 Euro. Weil der Bus kommt, muss er zwei Meter nach vorne fahren. Dafür macht er die Uhr nochmal an. 16,01 Euro.
Ich gebe trotzdem Trinkgeld.
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Die Ferienwohnung ist Teil einer Anlage direkt am Meer, vier Häusern mit jeweils zwölf Wohneinheiten. Die Häuser sind leicht versetzt angeordnet, so dass du von allen Wohnungen aus das Meer siehst. Bei den Erdgeschoss-Appartements in der letzten Reihe musst du dich dafür aber etwas anstrengen.
Wir haben Glück. Unsere Wohnung liegt im zweiten Haus von vorne im zweiten Stock. Sie ist großzügig geschnitten – vor allem für zwei Personen – und modern eingerichtet. Allerdings müffelt der Abfluss ein wenig. Das müssen wir noch mit unserem eigenen Geruch vertreiben. Dafür haben wir vom Balkon aus einen Blick aufs Meer. Und ein bisschen auf einen Parkplatz.

Nach dem Auspacken erster Besuch im Supermarkt. Er trägt den poetischen Namen Michelangelo, was Erwartungen weckt, die weder die Einrichtung noch das Sortiment so recht erfüllen.
Im Regal mit dem Olivenöl stehen nur leere Ansichtsexemplare. Für eine volle Flasche musst du beim Personal vorstellig werden. Die einzige Verkäuferin, die dafür infrage kommt, redet gerade erregt mit einem älteren Kunden. Und mit „redet erregt“, meine ich, sie streiten sehr lautstark. Ich habe keine Ahnung, was die Frau so erzürnt, aber sie scheint kurz davor zu sein, den Mann rauszuschmeißen.
Als die beiden fertig sind, frage ich die Verkäuferin unterwürfig nach dem Olivenöl und hoffe, sie schreit mich nicht an. Sie ist aber ganz freundlich und weist einen jüngeren Kollegen an, eine Flasche aus dem Lager zu holen.
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Abendessen mit Blick aufs Meer. (Und ein bisschen auf einen Parkplatz.) Anschließend Stippvisite beim Strand. Der ist nur 50 Meter entfernt und da wäre es eine Schande, ihn nicht zu jeder sich bietenden Gelegenheit aufzusuchen.



Die Sonne geht allmählich unter. Anlässlich unseres ersten Urlaubstag legt sie sich mächtig ins Zeug und färbt den Himmel in ein dramatisches Rot. Fast ein wenig überambitioniert. Aber sehr instagramtauglich.
Bilanz des Tages
- 10,0 Kilometer zurückgelegt
- 12.193 Schritte gegangen
- 1 Zugfahrt (1 Stunde 45 Minuten)
- 1 Taxifahrt (12 Minuten)
- 1 Einkauf (133,89 Euro)
- 2 Kniffel (1 meine Frau, 1 ich)
Alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs finden Sie hier:
- Vorbereitung (03.09.): Zurück in die Vergangenheit
- Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn
- Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus
- Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln
- Ankunft (07.09.): Blick aufs Meer (und ein bisschen Parkplatz)
- Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf
- Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?
- Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal
- Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige
- Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt
- Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond
- Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch
- Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)
- Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen
- Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer
- Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts
- Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche
- Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied


Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
133.89 Euro für den Einkauf. Was habt ihr alles gebraucht? Oder ist es viel teurer als hier?
Preislich ist das alles in allem mit Deutschland vergleichbar. Das war aber der typische Erste-Urlaubstag-Einkauf, wo du alle Grundnahrungsmittel, Toilettenpapier, Putzkram und eben Olivenöl kaufen musst.
Ihr seid komplette Selbstversorger?
Im Prinzip schon. Da die Ferienwohnung nicht privat, sondern von einer Verwaltung vermietet wurde, gab es auch keine Restbestände von Toilettenpapier, Küchenrolle, Spültabs und ähnliches, sondern wir mussten uns tatsächlich erstmal eindecken.
Ach Du heilige Sch…. Das ist so anstrengend wie es klingt. Aber ihr seid unabhängig .