Bretagne 2015 – 9. Tag: Von langen Läufen, Wanderungen durch das Irland Frankreichs und keiner Brooke Shields

Werde durch den an den Rollläden rüttelnden Wind geweckt. Hoffnung keimt in mir auf, dass das Wetter auch heute zu schlecht für den 16/17-Kilometer-Lauf sein könnte. Öffne den Rollladen einen Spalt und luge hinaus. Verdammt! Es ist zwar bewölkt, aber es regnet nicht. Dem Lauf steht somit zumindest meteorologisch nichts im Weg und der Bonner Freund und ich laufen los.

Wetteraussichten Esquibien: Zu gut um wahr zu sein.

Wetteraussichten Esquibien: Zu gut um wahr zu sein.

Mein Magen ist allerdings der Meinung, dass ich gestern zu viel Pizza hatte, um heute zu laufen, und der Kopf findet, dass der letzte Aperol Spritz am Vorabend schlecht war, was sportlicher Betätigung ebenfalls nicht zuträglich ist. Und nun kommen Sie mir bitte nicht mit: „Wer Abends schlemmen kann, der kann am nächsten Morgen laufen.“ Das ist wieder nur eine Erfindung der Dumme-Sprüche-Industrie und ganz grober Unfug. Denn diese Aussage beschreibt quasi zwei unterschiedliche Personen:

  • Im ersten Halbsatz („Wer Abends schlemmen kann, …“) geht es um eine hedonistische Person, die nach dem Prinzip der Lustmaximierung lebt, gesellig ist und einen großen Bekannten- und Freundeskreis hat. Sie lebt im Hier und Jetzt, trägt ein Yolo-Tattoo und lässt auch mal Fünfe grade sein. Es ist die Person, die man unbedingt dabei haben will, wenn es etwas zu feiern gibt. Kurzum, eine durch und durch sympathische Person.
  • Der zweite Halbsatz („… der kann am nächsten Morgen laufen.“) beschreibt dagegen eine zielstrebige, disziplinierte und fokussierte Person, die asketisch-calvinistisch lebt und von protestantischer Arbeitsethik durchdrungen ist. Sie hat das schwäbische „Schaffe, schaffe, Häusle baue, Hund abschaffe, selber belle“ mit der Muttermilch aufgesogen und trägt eine Tattoo mit der Inschrift: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nie auf morgen.“ Ein richtiger Langweiler, den man auf keinen Fall bei einer Fete dabei haben möchte (Wobei es nicht schlecht wäre, wenn eine solche Person die Party organisiert, damit alles rund läuft.). Kurz und gut, eine eher unsympathische Person, mit der man nichts zu tun haben will (Ich mag mich ja selbst auch nicht so gerne, wenn ich morgens laufen gehe.).

Sie sehen, diese Personen sind nicht miteinander kompatibel und somit ist dieser Spruch auch kompletter Unsinn. Weiterlesen

Bretagne 2015 – 8. Tag: Von Zauseln, Spaziergängen und Wunsch-Feen

Wache morgens kurz nach 7 Uhr auf und danke Wettergott und Wetter-App auf den Knien: Es regnet und stürmt. Das heißt, der vom Bonner Freund gestern Abend angeregte 16/17-Kilometer-Lauf nach Pont Croix muss leider entfallen. Wie bedauerlich!

Esquibien bei Regen. Mal wieder.

Esquibien bei Regen. Mal wieder.

Öffne drei Stunden später erneut die Augen. Nach Adam Riese, der immer herhalten muss, wenn einfachste Rechenoperationen korrekt ausgeführt wurden, ist es jetzt 10 Uhr. Im Haus schlafen alle anderen noch. Kontrolliere kurz, ob die Kinder noch atmen. Glücklicherweise sind sie wohlauf und schlummern tatsächlich noch friedlich.

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Gehe ins Bad und mustere mich im Spiegel. Ein ungekämmter, sonnengebräunter Zausel mit struppigem Bart schaut mich an. Etwas verwahrlost, jedoch nicht vollkommen unsympathisch. Zumindest in meinen Augen.

Unter normalen Umständen wäre es angebracht, mal wieder den Kamm zu bemühen und das Gesichtshaar ein wenig zu trimmen. Aber es ist Urlaub und im Urlaub gebe ich mich gerne als leicht zerzauster, entrückter Intellektueller. Visuell gelingt mir das schon ganz gut. Und so lange ich den Mund halte.

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Bretagne 2015 – 7. Tag: Von Märkten, Frisbee-Kunst und der Rückkehr der furzenden Schweine

Wache morgens auf und ein Blick aus dem Fenster und auf die Wetter-App zeigen: der bretonische April geht weiter. Nach dem gestrigen verregneten Tag gibt es heute strahlenden Sonnenschein. Der Strand ruft!

Esquibien. Morgenidyllisch.

Esquibien. Morgenidyllisch.

 

Aber vor das Badevergnügen hat der Urlaubsgott die obligatorische Fahrrad-Berg-Tour zum Bäcker gesetzt. Fröhlich pfeifend radle ich mit leichtem Tritt von Hügel zu Hügel gen Audierne.

Bitte glauben Sie nicht den Gerüchten, dass ich mich keuchend und rotgesichtig über die Berge mühe. Das sind böswillige Unterstellungen, um meinen guten Ruf zu schädigen. Dass ich gar keinen guten Ruf habe, ist übrigens ebenfalls eine böswillige Unterstellung.

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Bretagne 2015 – 6. Tag: Von Regen-Lauf-Romantik, Dudelsäcken und Süßigkeiten

Werde morgens vom Regen, der gegen das Fenster peitscht, geweckt. Kontrolliere sicherheitshalber die Wetter-App. 100 Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Es scheint tatsächlich zu regnen.

Esquibien. Regenwahrscheinlichkeit 100 Prozent.

Esquibien. Regenwahrscheinlichkeit 100 Prozent.

Eigentlich wollten der Bonner Freund und ich heute laufen. Der wankt um 8 Uhr jedoch nur kurz ins Schlafzimmer und wir grunzen uns zu, dass das Joggen heute ins sprichwörtliche Wasser fällt. Lieber faul im warmen Bett, als sportlich im kalten Nass. Ist eine alte bretonische Weisheit. Die ich gerade erfunden habe.

Drehe mich um und versuche, wieder zu schlafen. Aber eine Stunde später kommt der Bonner Freund schon wieder ins Schlafzimmer. In Sportklamotten. In seinen Augen lodert jetzt das Feuer der Laufleidenschaft. Es habe aufgehört zu regnen und nun gebe es keine Entschuldigung mehr, nicht laufen zu gehen, erklärt er euphorisch.

Möchte hm da nicht uneingeschränkt zustimmen. Denn mir fallen so einige Entschuldigungen ein: Das Bett ist warm, das Müde groß, das Wach klein, die Laufstrecke lang, die Berge anstrengend, der Boden feucht, der Wind windig und so weiter und so fort.

Zu der frühen Uhrzeit und dem fortgeschrittenen Urlaub stellt das Artikulieren klarer Aussagen für mich jedoch eine große Herausforderung dar. Außerdem trippelt der Bonner Freund erwartungsvoll vor mir rum. Deute also ein Nicken an, rolle mich aus dem Bett, schlüpfe irgendwie in Laufkleidung und schon laufen wir gemeinsam die hügelige Straße Richtung Audierne entlang.
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Bretagne 2015 – 5. Tag: Von Brioches, Altglas-Philosophie und gefüllten Blasen

Wache morgens mit einem leichten Kratzen im Hals auf. Schlucke ein, zwei Mal und ja, es ist eindeutig ein Hauch von Schmerz zu spüren. Hoffentlich ist keine tödliche Männergrippe im Anmarsch und rafft mich dahin wie ein siechendes Tier. Die Freundin teilt meine Befürchtungen allerdings nicht ganz und sieht das Ganze mit wenig Empathie und dafür umso mehr Pragmatismus. Sie findet es tröstlich, dass die Nähe zum Meer wenigstens eine günstige Seebestattung ermögliche.

Verzichte sicherheitshalber auf das heutige Joggen, um dem geschwächten Leib nicht zu viel zuzumuten. Der Bonner Freund drückt ein paar halbherzige Worte des Bedauerns aus, scheint aber nicht besonders unglücklich zu sein.

Esquibien. Morgenromantik.

Esquibien. Morgenromantik.

Absolviere statt des Laufs mit dem Rad die Berg-Tour zum Bäcker. Warum das für meinen Körper besser sein soll als das Laufen, weiß ich auch nicht. Aber am fünften Urlaubstag sollte man auch nicht mehr allzu viel logisches Denken erwarten. Zumindest nicht von mir. Wobei die Erwartungen diesbezüglich auch im normalen Arbeitsalltag bei mir nicht zu groß sein sollten.

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Bretagne 2015 – 4. Tag: Von Baguette-Auswahl, Strand-Fußball und Sternenhimmeln

„Ach, lass mal. Ich fahre gerne mit dem Rad zum Bäcker.“ Worte, die wahrscheinlich mal auf meinem Grabstein stehen werden. Und die ich aus mir unerklärlichen Gründen zum Bonner Freund gesagt habe, als er anbot, die Baguettes mit dem Auto zu holen. Und die dazu führen, dass ich heute Morgen wieder die unzähligen Hügel Berge zwischen Esquibien und Audierne hochstrample.

Hafen von Audierne. Ein Schiff wird kommen. Beziehungsweise: Viele Schiffe sind bereits gekommen.

Hafen von Audierne. Ein Schiff wird kommen. Beziehungsweise: Viele Schiffe sind bereits gekommen.

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Bretagne 2015 – 3. Tag: Von Nebel, Strand-Erholung und Sonnenbränden

Der Start in den Tag ist eher ernüchternd. Nicht nur, dass ein frühmorgendlicher 10-Kilometer-Lauf zum Bäcker ansteht, sondern auch das Wetter lässt weiterhin schwer zu wünschen übrig. Die gestern von der Wetter-App euphorisch angekündigte Sonne mit lediglich leichter Bewölkung ist noch nicht in Esquibien angekommen. Eventuell handelt es sich um eine Touristen-App, die falsche Wettervorhersagen vorspielt, um tumbe Deutsche bei Laune zu halten.

Esquibien. Das Wetter ist kaputt. Oder die Wetter-App.

Esquibien. Das Wetter ist kaputt. Oder die Wetter-App.

Wie dem auch sei, es ist auch heute sehr diesig (Kategorie ‚Erbsensuppe‘). Befürchte gleich wird hier das Set für eine Verfilmung des Edgar-Wallace-Klassikers ‚Im Nebel siehst du keinen Feind‘ aufgebaut. Das Wetter wäre auf jeden Fall perfekt dafür.

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Bretagne 2015 – 2. Tag: Von Regen-Läufen, Spinnennetzen und bretonischem Senkblei

Das Unglück nahm bereits gestern Abend seinen Lauf. Als der Bonner Freund fragte, ob wir morgen – als heute – joggen gehen wollen. Nach der gestrigen Velo-Höchstleistung, wollte ich „Nein“ sagen. Aus meinem Mund kam aber ein „Ja“. Das machen Männer so. Man will ja keine Schwäche zeigen, sondern täuscht Leistungsfähigkeit, Tatendrang und Willensstärke vor. Wie so ein Vollidiot!

Stehen also früh morgens auf der Terrasse und dehnen uns. Das Wetter ist traumhaft schön. Für Südostasien in der Regenzeit. Sonst eher nicht. Es nieselt ziemlich stark und ist sehr neblig. Schaue dem Bonner Freund in die Augen. Er zuckt nicht, ich auch nicht. Das heißt, keiner macht einen Rückzieher und wir laufen tatsächlich. Verdammt!

Esquibien. Wolkenlos bei 29 Grad.

Esquibien. Wolkenlos bei 29 Grad.

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Bretagne 2015 – 1. Tag: Von Rad-Martyrien, furzenden Schweinen und Furunkeln im Reis

Wache morgens um 8 Uhr auf und ziehe die Rollläden hoch. Die gestrige 16-Stunden-Fahrt hat sich wirklich gelohnt: es regnet in Strömen.

Blick auf Audierne. Heiter bis sonnig, 28 Grad.

Blick auf Audierne. Heiter bis sonnig, 28 Grad.

Aber das Wetter ist mir egal, denn es ist Urlaub. Außerdem fährt man nicht in die Bretagne, um sich über Regen und Wind zu beklagen. Ist eine alte bretonische Fremdenverkehrsweisheit. Die ich gerade erfunden habe.

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Bretagne 2015 – Anreise 2: Von Nuspli-Moral, belgischen Verkehrskampagnen und französischen Autofahrern

Es ist erneut 3 Uhr morgens, aber nicht das Murmeltier grüßt uns, sondern der Bonner Freund, der uns weckt. Der Entspannungsfaktor eines Urlaubs ist definitiv noch ausbaufähig, wenn man zwei Tage hintereinander mitten in der Nacht aufsteht, um stundenlang Auto zu fahren. Aber wenigstens haben wir dann einen guten Grund, uns erholen zu müssen, nachdem wir übermüdet und gerädert in der Bretagne ankommen. Finde, für die frühe Stunde ist das wirklich eine bestechende Logik.

Nachdem alle Erwachsenen und Kinder durchs Bad geschleust wurden („Jeder geht noch mal auf Toilette, egal ob er muss oder nicht.“), sitzen wir um kurz vor vier wieder in unserem KIA. Stelle als routinierter Autofahrer fest, dass die Tankanzeige bedrohlich rot leuchtet und wir als erstes eine Tankstelle aufsuchen müssen. Dort erwerben wir außer dem Benzin zwei Kaffee für die Freundin und mich. Bitter und stark ist er, wie es sich für einen richtigen Tankstellen-Kaffee gehört.

Kaffee. Weckt Tote auf. Und bringt sie wieder um.

Kaffee. Weckt Tote auf. Und bringt sie wieder um.

Bin mir nicht sicher, ob der Kaffee meine Lebensgeister weckt oder aber vertreibt. Wahrscheinlich beides. Fahre daher wie ein Zombie auf Speed auf die Autobahn. Zur Stärkung der Moral vor der langen Fahrt essen wir alle erstmal Nuspli-Stullen.

Nachdem wir eine Weile unterwegs sind, überqueren wir die Grenze nach Belgien, das Land, in dem die EU-Institutionen beheimatet sind. Das Radio spielt ‚Heal the world‘ von Michael Jackson. Halte das für ein bisschen dick aufgetragen. Bevor die EU die Welt rettet, wäre es schön, wenn sie das mit Griechenland hinbekommt.

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