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Wohl keine Lebensphase hat einen schlechteren Ruf als die Pubertät. (Außer das Greisenalter, in dem gemeinhin befürchtet wird, dement und inkontinent in einem heruntergekommenen Siechenheim zu liegen.) Viele Eltern haben regelrecht Angst vor der Pubertät ihrer Kinder. Die Vorstellung, dass die ehemals lieben Kleinen plötzlich verpickelt und mit fettigem Haar nur noch in ihren abgedunkelten, muffigen Zimmern abhängen, pausenlos ins Handy glotzen und ausschließlich unartikulierten Grunzlaute ausstoßen, gegen die Dreiwortsätze von Kleinkindern als höchste Stufe der Eloquenz gelten können, bereitet Müttern und Vätern großes Unbehagen. Dazu noch der Gedanke an Alkohol- und Drogenkonsum, zwielichtige Freund:innen sowie erste sexuelle Aktivitäten und fertig ist die Pubertäts-Paranoia.
Inke Hummel hat sich zum Ziel gesetzt, Eltern die Furcht vor der Pubertät zu nehmen. Mit ihrem Buch Miteinander durch die Pubertät. Gelassener begleiten, weniger streiten, in Kontakt bleiben. So bleiben dein Kind und du ein Team!* hat sie nicht nur einen neuen Weltrekord in der Kategorie „Eltern-Ratgeber mit dem längsten Titel“ erzielt (Die ehemaligen Rekordhalterinnen Danielle Graf und Katja Seide slow clappen im Hintergrund.), sondern auch den ersten bindungsorientierten Pubertätsratgeber geschrieben. Anscheinend haben zahlreiche Eltern darauf sehnsüchtig gewartet, denn das Buch schoss bei Amazon noch vor Veröffentlichung in der Kategorie „Pubertät“ auf Platz 1. (Inzwischen musste es einem Uli-Stein-Familienplaner 2020 weichen, was aber nicht gegen den Erfolg des Hummelschen Erstlingswerk, sondern gegen den Ranking-Algorithmus von Amazon spricht.)
Nun obliegt es mir, Miteinander durch die Pubertät einer genauen Überprüfung zu unterziehen. Ist der kommerzielle Erfolg inhaltlich gerechtfertigt oder ist Inke Hummel eine pädagogische Quacksalberin, die einem auch raten würde, Bleichmittel zum Schutz vor Corona zu trinken? Fragen, die sich niemand stellt und die auch nicht nach Antworten verlangen, aber einen hübschen, pseudo-dramatischen Abschluss für die Einleitung bilden.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)