Mission „Fake-Trikot-Kauf“. Wie vor ein paar Tagen berichtet, ist der Sohn ein großer Fan nachgemachter Fußball-Trikots. Also liegt es nahe, ihm eins als Mitbringsel zu besorgen, denn die gibt es auf der Strandpromenade Richtung Salou in Hülle und Fülle.
In unserem gestrigen Telefonat deutete er an, er würde sich über ein Real-Madrid-Trikot freuen. Ich selbst bin kein großer Freund des Vereins, er ist mir sogar zutiefst unsympathisch. Wobei man sich als Bayern-München-Fan beim Thema „unsympathische Vereine“ nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte.
Ich gehe davon aus, dass der Sohn nicht das Trikot irgendeines Ersatzspielers möchte, der nie zum Einsatz kommt, sondern von Mbappé. Auch das begeistert mich nur wenig. Nicht weil ich etwas gegen den französischen Stürmer persönlich habe, sondern ich finde diese kultische Verehrung von Fußballern befremdlich. Hier sitze ich ebenfalls Steine schmeißend im Glashaus, glich mein Zimmer früher doch einem Boris-Becker-Tempel und war von oben bis unten mit Postern des Leimener Wimbledonsiegers tapeziert.
An der Promenade sitzen Dutzende Händler*innen. Das Angebot ist strikt gegendert. Die Frauen flechten Bänder in Haare, die Männer verkaufen gefälschte Markenprodukte. Von Trikots über Schuhe, Designer-T-Shirts, Unterwäsche, Uhren, Taschen, Jacken bis hin zu Sonnenbrillen. Ob es wohl Menschen gibt, die denken, sie kaufen hier tatsächlich Originale.
Die Trikotverkäufer haben alle Vereine und Nationalmannschaften im Sortiment, die auch nur ein bisschen populär sind. Ich bin kein Experte, aber die nachgemachten Shirts scheinen eine okaye Qualität zu haben. Wahrscheinlich werden sie von den gleichen Kindern in den gleichen Fabriken zusammengenäht wie die Originale.
Vorher hatte ich mich im offiziellen Real-Shop schlau gemacht, wie die aktuellen Shirts aussehen, um mich zu vergewissern, dass die Fakes zumindest eine gewisse Ähnlichkeit haben. Auf der Real-Website kostet das „authentic“ Heimtrikot 150 Euro, die Version ohne den Zusatz „authentic“ 100 Euro. Was die Frage aufwirft, ob Real seine eigenen Fakes verkauft.
Bei den Promenaden-Händlern kosten die Trikots 25 Euro. Wahrscheinlich könnte ich den Preis noch runterhandeln. Als gutverdienender, weißer Dude habe ich allerdings Skrupel, mit einem schwarzafrikanischen Straßenverkäufer, bei dem ohnehin nur ein winziger Bruchteil der Einnahmen hängenbleibt, um fünf Euro zu feilschen.
Ich bezahle den geforderten Preis und bin froh, den Punkt „Fake-Trikot kaufen“ von der Urlaubs-To-Do-Liste streichen zu können.
Am Strand wählen wir heute einen anderen Platz, etwas weiter links als sonst. Gerade im Urlaub ist es ja wichtig, spontan und flexibel zu sein, auch mal die gewohnten Pfade zu verlassen und neue Erfahrungen zu machen. Warum eigentlich? Fühlt sich irgendwie merkwürdig an.
Neben uns spielt ein Vater ausgiebig Fußball mit seinem ungefähr vierjährigen Sohn. Oder wie meine Frau sagt: „Er tut alles dafür, dass der Kleine heute Abend müde ist.“ Der Plan geht nur so semi auf: Der Vater muss irgendwann eine Pause einlegen, der Junge buddelt daraufhin mit seiner Mama im Sand.
An unserem Liegeplatz spaziert ein Pärchen Hand in Hand vorbei. Der Mann hat ein großes Tattoo auf der unteren Hälfte seines Rückens. Sieht wie ein großes und ein kleines Mammut aus. Aber vielleicht erkenne ich das aus der Ferne nicht richtig, weil die Gläserstärke meiner Sonnenbrille nicht mehr optimal auf meine Augen abgestimmt ist. Oder der Typ ist tatsächlich großer Mammut-Fan. (Wie immer: Nicht super wahrscheinlich, aber auch nicht vollkommen unmöglich.)
Aus der anderen Richtung kommt eine ältere Frau mit strammem Schritt näher. Sie hat kurze, graue Haare, trägt eine große Sonnenbrille, die farblich auf ihren Bikini abgestimmt ist, über ihrer Schulter hängt eine gelbe Stofftasche mit Blumenmuster.
Eine tolle Erscheinung. Sie strahlt Stil, Würde und Charisma aus. Am liebsten würde ich ein Foto von ihr machen. Dazu müsste ich sie aber entweder fragen (weird) oder einfach so knipsen (pervy). Verzichte also darauf.
Beim Abendessen wieder zu viel Wind für Strand-Foto-Sessions. Nur eine Frau lässt sich von ihrem Begleiter ablichten, aber ihr Kleid weht fast davon. Da sie auf die Art von Fotos offenbar keinen Bock hat, ziehen die beiden unverrichteter Dinge wieder ab. Null Punkte bei der Influencer Academy.
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Bilanz des Tages
- 15,57 Kilometer gelaufen
- 22.185 Schritte
- 1 Friseur-Leistungsschau gesehen
- 1 Frau mit einer Nuss abgeschossen
- 1 Eis vor dem Frühstück gegessen
- 1 Fake-Trikot gekauft
- 4 Kniffel (3 davon ich)
Alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs finden Sie hier:
- Vorbereitung (03.09.): Zurück in die Vergangenheit
- Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn
- Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus
- Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln
- Ankunft (07.09.): Blick aufs Meer (und ein bisschen Parkplatz)
- Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf
- Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?
- Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal
- Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige
- Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt
- Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond
- Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch
- Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)
- Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen
- Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer
- Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts
- Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche
- Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)