Plan für die Abendgestaltung: Spaziergang nach Cambrils, Souvenirs und Postkarten besorgen, Essen gehen. Da uns der Spaziergang hungrig gemacht hat, ziehen wir, als wir in Cambrils ankommen, den Punkt „Essen gehen“ vor.
Nachdem wir circa fünfzehn Minuten auf der Suche nach einer Essenslokalität durch den Ort geschlendert sind – wie zwei Löw*innen, die nach einem Gnu Ausschau halten –, landen wir vor dem El Pòsit. Eine Tapas Bar, die bei Google eines der am besten bewerteten Restaurants in Cambrils ist. Die Karte vor dem Lokal ist zwar rein Spanisch, aber wir erkennen genügend Worte, um zu dem Schluss zu kommen, dass wir hier kulinarisch fündig werden.
Allerdings ist es erst 18.15 Uhr, alle Tische sind noch unbesetzt. Uns widerstrebt es, die ersten Gäste zu sein. Zu viel Präsentierteller und zu viel Aufmerksamkeit durchs Personal, das uns wegen der frühen Abendessenszeit wahrscheinlich für merkwürdig hält. Oder für deutsche Touristen. Oder für merkwürdige deutsche Touristen.
Wir gehen erstmal weiter, nach gastronomischen Alternativen Ausschau haltend. Die sehen aber alle weniger vielversprechend aus. Folglich kehren wir nach zehn Minuten zurück zum El Pòsit. Dort sitzt inzwischen wenigsten ein Paar an der Theke. Mir wird die Aufgabe übertragen, in Erfahrung zu bringen, ob wir draußen Platz nehmen können.
Zunächst frage ich die Frau hinter der Bar, ob sie Englisch spricht. Sie entschuldigt sich, ihr Englisch sei „very small“. Ich erkläre ihr, sie müsse sich überhaupt nicht entschuldigen, mein Spanisch sei smaller. Ihr Englisch ist dann doch big enough, um mir zu erklären, wir mögen bitte drinnen essen.
Das Restaurant ist modern eingerichtet, mit viel Holz, grün und angenehmem Licht. Alles etwas hipsterig, aber dennoch gemütlich. Verschiedene Poster und Wandbeschriftungen weisen darauf hin, dass die Zutaten bio und lokal sind und nach Möglichkeit wird auf Allergien Rücksicht genommen.
Als erstes nimmt die Frau unsere Getränkebestellung auf. Kurze Zeit später steht ein Liter Sangria auf unserem Tisch. Ich würde gerne behaupten, das sei auf ein Missverständnis aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen. Das wäre aber gelogen, wir bekommen exakt das, was wir ausgesucht haben. („Sangria.“ „One litre?“ „Yes, one litre.“)
Unsere Tapas suchen wir mittels der digitalen Speisekarte aus. Das ist praktisch, weil wir sie uns auf Englisch übersetzen lassen können, damit wir überhaupt wissen, was wir bestellen.
Die gewünschten Speisen zeigen wir der Bedienung auf den Bildern der elektronischen Karte, um Verwechslungen auszuschließen. Brava del pòsit mit iberischem Chorizo-Hash, das Bio-Käsebrett, knuspriges Hähnchen aus der Freilufthaltung sowie Knoblauch-Garnelen. Da die Frau bisher nicht gezuckt hat, nehmen wir noch Knoblauchbrot dazu.
Alles ist köstlich. Der Sangria fruchtig, die Kartoffeln würzig, der Käse käsig, das Hühnchen außen knusprig und innen zart, das Knoblauchbrot knoblauchig.
Ein Kellner bringt die Garnelen und erklärt etwas dazu. Er spricht kein Englisch, aber sein Spanisch ist fließend. Meines immer noch nicht, ich verstehe kein Wort. Er redet weiter und macht Grimassen, die unterstreichen sollen, was er sagt. Ich habe weiterhin keinen Schimmer, was er da erzählt. Ich nicke trotzdem, sage „Ah, yes“, als hätte ich eine Eingebung und lache etwas dämlich, weil ich den Eindruck habe, die Situation erfordert das von mir.
Weil alles so schön ist, wir uns gut fühlen und der Sangria seine Wirkung entfaltet, gönnen wir uns noch Nachtisch: einen Brownie und ein Stück Käsekuchen. (Man lebt bekanntlich nur einmal und mit verfetteter Leber gar nicht so lange.) Beides ist phantastisch.
Der Brownie hat genau den richtigen Grad an Schokoladigkeit. Nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel, so dass du nach dem ersten Bissen das Gefühl hast, du willst nie wieder etwas zu dir nehmen, das auch nur den Anschein erweckt, Schokolade zu enthalten.
Der Käsekuchen ist ein Gedicht. Einer der besten Käsekuchen, die ich je gegessen habe. Er ist cremig, der Boden leicht salzig und die Erdbeersauce fruchtig. In Kombination ist das so lecker, dass dieser Käsekuchen einen eigenen Wikipedia-Eintrag haben sollte, wissenschaftliche Abhandlungen müssten über ihn geschrieben werden und ich frage mich ernsthaft, warum es keinen Hollywood-Blockbuster mit ihm in der Hauptrolle gibt.
Auf dem Heimweg müssen wir uns noch um Postkarten und Souvenirs kümmern. Die hatten wir bekanntlich auf unserer Cambrils-To-Do-Liste zugunsten der Essensaufnahme depriorisiert.
Das mit den Postkarten verschieben wir gleich mal auf einen anderen Tag. Schließlich sind wir hier im Urlaub und nicht auf der Arbeit, wo du als Lohnknecht des kapitalistischen Verwertungssystems stumpf irgendwelche Aufgaben abarbeitest. Außerdem sehe ich in den Kartenständer vor den Läden keine schönen Karten. (Zumindest nicht in den zehn Sekunden, die ich mir dafür Zeit nehme.)
In einem Geschäft, das auf mandelbasierte Süßwaren und Gebäck spezialisiert ist, besorgen wir verschiedene Mitbringsel. Ab einem bestimmten Alter ist es ratsam, deinen Eltern Verzehrbares aus dem Urlaub mitzubringen und nicht irgendwelchen Nippes, der die Wohnung zumüllt und den du später selbst entsorgen musst. (Ich würde die Altersgrenze diesbezüglich auf ungefähr 48 setzen.)
Anschließend suchen wir einen Souvenirladen auf, der nicht ganz so trashig aussieht, denn auch im Urlaub pflegen wir einen gewissen Dünkel. Für die Tochter kaufen wir ein Schnapsglas für ihre Sammlung und für uns den obligatorischen Kühlschrankmagneten. Dazu den roten Porzellanstier, von dem wir immer noch annehmen, er mache sich gut in unserer Küche als Dekorelement. (Selbstverständlich immer noch ironisch.)
Der Mann an der Kasse entfernt mit Reinigungsbenzin das Preisschild von dem Stier und verpackt ihn sorgfältig in Luftpolsterfolie. Guter Service. So ist das Porzellantier beim Transport gut geschützt und ich habe später etwas zum Spielen.
Bilanz des Tages
- 14,01 Kilometer gelaufen
- 4 Läufer*innen überholt (darunter meine Frau, ohne es zu bemerken)
- 29.740 Schritte gegangen
- 41,24 Euro im Supermarkt ausgegeben
- 1 Kniffel der Herzen (meine Frau)
- 1 Liter Sangria getrunken
- 1 roten Stier, 1 Shotglas und 1 Kühlschrankmagnet gekauft
Alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs finden Sie hier:
- Vorbereitung (03.09.): Zurück in die Vergangenheit
- Anreise (04.09.): Auf Kaffeefahrt mit der Deutschen Bahn
- Barcelona (1) (05.09.): Immer geradeaus
- Barcelona (2) (06.09.): Saubere Brillen und wütende Kartoffeln
- Ankunft (07.09.): Blick aufs Meer (und ein bisschen Parkplatz)
- Tag 01 (08.09.): Lauf, Christian, lauf
- Tag 02 (09.09.): Do you need a good one or a normal one?
- Tag 03 (10.09.): Dem Meer ist alles egal
- Tag 04 (11.09.): Nationalfeiertagsfeierlichkeiten Fehlanzeige
- Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt
- Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond
- Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch
- Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)
- Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen
- Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer
- Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts
- Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche
- Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)