Cassis 2022 – Tag 09 (17.07.): Ein Königreich für ein Wasser, Wasser, Wasser (Teil 2)

Teil 1


Auf dem Weg zum Strand laufen wir durch die Fußgängerzone von Cassis. Am Anfang kommen wir an einem Laden vorbei, in dem ausschließlich Badelatschen verkauft werden. Die heißen aber bestimmt nicht Latschen. Dafür sind sie zu teuer.

Durch die geöffnete Ladentür wabert ein intensiver Gummigeruch nach draußen. Nicht gerade verkaufsfördernd. Wer möchte schon Schuhe anziehen, bei denen du Angst hast, dass dir irgendwelche Weichmacher und andere krebserregende Inhaltsstoffe, die auf der EU-Verbotsliste für gesundheitsgefährdende Chemikalien stehen, in die Fußsohlen diffundieren. Vor dem Laden liegt ein huskyartiger Hund und döst. Vielleicht ist er auch von den Gummi-Ausdünstungen berauscht.

Nach dem Badelatschen-Laden kommt ein Spielzeuggeschäft. Am Eingang hängt ein kleiner, grüner Plastikkäfig, in dem ein batteriebetriebener Hamster sitzt. Ab und zu bewegt er sich und fiept dabei. Unsere Kinder sind zu alt, um quengelnd zu verlangen, dass wir den Hamster unbedingt und sofort kaufen sollen. Schade eigentlich. Vielleicht wünsche ich ihn mir zum Geburtstag.

Außerdem gibt es viele kleine Boutiquen in Cassis. In denen wird unaufgeregt lässige Mode angeboten, wie du sie nur in Frankreich bekommst. Mit dieser Kleidung demonstrierst du Stilsicherheit und Geschmack. Deswegen kann ich das leider nicht tragen. Ich käme mir darin wie ein Hochstapler vor.

Ohnehin sind die Mode-Ladengeschäfte viel zu klein. Dort bist du dem Verkaufspersonal sofort schutzlos ausgeliefert. Wenn du gefragt wirst, ob du etwas Bestimmtes suchst, kannst du dich nicht elegant aus der Affäre ziehen, indem du nuschelst: „Ich schau mich nur mal um.“ Da schaust du einmal nach links, einmal nach rechts und einmal nach hinten und dann wars das mit der Umschauerei

Unauffälliges Rausschleichen ist auch nicht drin. Um den Laden zu verlassen, musst du dich an der Tür direkt an der Verkäuferin oder dem Verkäufer vorbeidrücken. Die sind dann ganz enttäuscht, weil du nichts gekauft hast. Das möchtest du natürlich nicht und deswegen nimmst du doch irgendetwas und plötzlich läufst du in einem blumengemusterten Hawaii-Hemd rum, als seist du auf dem Weg zu der Motto-Party „Wenn ich groß bin, werd’ ich cool.“

Ramschläden, in denen du minderwertiges Wasser- und Strandspielzeug kaufen kannst, zum Beispiel Beach-Tennis-Sets, gibt es fast gar keine. Mir ist nur einer aufgefallen. Der liegt strategisch günstig kurz vor dem Strand und wir kommen fast täglich daran vorbei. Davor sitzt immer eine Jugendliche und lächelt mich an. Sie ist allerhöchstens 18 und deswegen ist mir das ein bisschen unangenehm. Muss es aber gar nicht. Als ich heute an dem Laden vorbeilaufe, ignoriert sie mich. Diesmal bin ich allein unterwegs und der Sohn lief nicht wie sonst neben mir. Anscheinend hat sie immer ihm zugelächelt und das ergibt natürlich viel mehr Sinn.

Wenn du beim Fotografieren, den Schatten im Bildausschnitt nicht siehst, und beim Hochladen zu faul bist, das Bild zuzuschneiden.

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Ich mag an unserem Stamm-Strand in Cassis, dass er so divers ist und sich niemand daran stört, wie du aussiehst oder was du machst. Hierher kommen alte und junge Menschen, Familien mit kleinen und großen Kindern, heterosexuelle und homosexuelle Paare, Volltätowierte, Halbtätowierte und Untätowierte sowie Dicke, Mitteldicke, Mitteldünne und Dünne. Frauen in Bikinis und Badeanzügen liegen und baden hier genauso wie barbusige Frauen oder kopftuchtragende Frauen, die mit T-Shirts und Leggins ins Wasser gehen. Außerdem sind hier gefühlt mehr Nationen vertreten als bei der UN-Vollversammlung.

Alle kommen gut miteinander aus, alles ist friedlich, es gibt keinen Streit und keinen Zwist. Fast schon paradiesisch. Fehlt nur noch, dass Löwe und Lamm miteinander spielen und wir alle gemeinsam „Kumbaya“ anstimmen.

Positiv ist auch, dass es hier im Vergleich zu Sardinien nicht so viele Menschen gibt, die wie Modellathleten aussehen. Als seien sie gerade von einem Sports-Illustrated-Cover gesprungen. Das wirkt sich sehr positiv auf das eigene Körpergefühl aus.

Außer heute. Da stehe ich im Wasser – zu meiner eigenen Überraschung – und direkt neben mir ein Hüne von einem Mensch. Bei dem ist alles ausdefiniert und an seinem Körper ist kein Gramm Fett zu viel. Wie eine menschgewordene Granit-Statue. (Die könnte in Marseille ausgestellt werden.) Mit festen Bizeps, Trizeps, Brust-, Bauch-, Schulter-, Rücken- und Gesäßmuskeln. An dem Mann könntest du Anatomiestudien durchführen.

Er ist so gut gebaut, dass ich selbst als heterosexueller Mann das Bedürfnis verspüre, ihn anzufassen. Aber das möchte er sicherlich nicht. Das respektiere ich natürlich. Ich möchte ja nicht übergriffig sein. Und außerdem hat der Mann, wie bereits erwähnt, feste Bizeps, Trizeps, Brust-, Bauch-, Schulter-, Rücken- und Gesäßmuskeln. Vielfache Argumente, ihn nicht ungefragt anzufassen.

Ich versuche, mich möglichst gerade hinzustellen. Etwas breitbeinig, damit das Becken weniger auslaufend erscheint, Schultern nach hinten, Brust raus, Bauch rein. (Vielleicht sollte ich doch mal mittags die Brioches weglassen.) Trotz meiner Bemühungen gebe ich neben dieser menschgewordenen Muskelmasse ein bemitleidenswertes Bild ab. Wie jemand, der sich den ganzen Tag am Schreibtisch den Hintern breitsitzt. (Oh, wait?!)

Als wir zufällig gleichzeitig das Wasser verlassen, mache ich aber doch noch eine bessere Figur als dieser aus Stein gemeißelte Adonis. Mir macht es nicht so viel aus, über den Steinstrand zu laufen. Mr. Universum trippelt dagegen in kleinen Schritten und schwankt dabei fast schon slapstickhaft. Sein Gesicht ist vor Schmerz oder in Antizipation des Schmerzes verzerrt. Ich bin kurz davor, ihm anzubieten, ihn huckepack zu seinem Platz zu tragen. Dabei könnte ich dann seine Muskeln anfassen.

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Der heutige Kniffel-Abend bringt eine Premiere: Die Tochter gewinnt ihr erstes Spiel des Urlaubs. Der Sohn rückt näher an seine Mutter in der Gesamtwertung, ich verteidige bräsig meine Führung.


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