Corona-Föhrien 2020 – Tag 1: Von Schafen, neuen Supermärkten, fehlenden Strandutensilien und Strandkorb-Adeligen

Der (fast) alljährliche Urlaubsblog. Diesmal nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Zur besseren zeitlichen Orientierung sei erwähnt, dass der Urlaub Ende Juni / Anfang Juli stattfand. Die kompletten Beiträge finden Sie hier.


Der mit den Schafen läuft

„Einen wunderschönen guten Morgen!“ Ich winke einer Gruppe von Schafen zu, um einen guten Eindruck als höflicher Tourist zu machen. Die Schafe grasen unbeeindruckt weiter.

Es ist 8.30 Uhr und ich laufe den Deich an der Ostseite der Insel entlang Richtung Norden. (Falls Sie in Geographie genauso schlecht sind wie ich: Der Deich ist rechts von der Insel und ich laufe nach oben. Bittegerne.) Vor zwei Jahren war das schon eine meiner Lieblingsstrecken, weil du hier direkt neben den freilaufenden Schafen herjoggen kannst.

Schaf auf Wiese vor Landschaft

Für einen Großstädter ist das etwas ganz Besonderes. In Berlin bist du von der Natur so entfremdet, dass du Tieren normalerweise nicht so nahekommst. Außer aufdringlichen Tauben. Und unangeleinten Kampfhunden, bei denen du nicht weißt ob von ihnen oder von ihren stiernackigen Herrchen mehr Gefahr ausgeht. Und Ratten, die im Park vor dir ungeniert den Weg queren. Okay, je länger ich darüber nachdenke, ist das mit der Entfremdung von der Natur in der Großstadt vielleicht doch keine schlechte Sache.

Weiterlesen

Corona-Föhrien 2020 – Anreise: Von verschwitzten Rucksack-Trägern, Masken im Zug, essenden Löwenrudeln und den Vorzügen einer guten Ferien-Unterkunft

Der (fast) alljährliche Urlaubsblog. Diesmal nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Zur besseren zeitlichen Orientierung sei erwähnt, dass der Urlaub Ende Juni / Anfang Juli stattfand. Die kompletten Beiträge finden Sie hier.

Was reimt sich auf heiß? Schweiß!

7.45 Uhr. Wir sind unterwegs zum Bahnhof. Die anderen Familienmitglieder ziehen Koffer diverser Größe hinter sich her, ich bin für den großen Trekking-Rucksack zuständig, der mir seit über 20 Jahren treue Dienste leistet. Bei Trekking-Rucksack denken Sie jetzt möglicherweise, ich hätte als Student abenteuerliche Touren durch den Regenwald unternommen, wäre durch das tibetanische Hochland gereist und hätte die australischen Outbacks zu Fuß durchquert. Das entspricht aber nicht der Realität. Nicht im Geringsten. Schon mit Anfang 20 wusste ich eine behagliche Unterkunft und eine bequeme Schlafstätte zu schätzen. Mein Komfortmindestanspruch war mit Übernachtungen im Zelt und Waschgelegenheiten in einem klapprigen Holzverschlag nicht kompatibel. Das aufregendste Erlebnis, bei dem mich der Rucksack begleitete, war eine Übernachtung in einem 8-Bettzimmer eines schäbigen Student-Hostels in London. Ich schätze, dass sich in der Bettwäsche und den Matratzen mehr Lebewesen aufhielten als in der Insektenabteilung des Berliner Zoos.

Bild könnte enthalten: 1 Person
Mode- und frisurenverwirrter Student mit Reisegepäck

(Bei dem Bild fragen Sie sich bestimmt, wie ich in diesem Aufzug überhaupt eine Unterkunft bekommen habe, und ich kann Ihnen keine Antwort darauf geben.)

Den Rucksack hatte ich mir damals zugelegt, weil ich es praktisch fand, beim Reisen die Hände frei zu haben und keinen Koffer tragen zu müssen.. (Hat nicht immer geklappt. Siehe Bild.) Mit Mitte 40 und steigendem körperlichen Verschleiß sind die Pro-Argumente für ein tonnenschweres Gepäckstück, das du auf dem Rücken tragen musst, nicht mehr ganz so überzeugend. Für die frühe Uhrzeit ist es schon ziemlich warm und drückend. Schon nach 50 Metern Fußweg schwitze ich wie bei einem Workout in einer finnischen Dampfsauna. Innerhalb von Minuten überzieht ein dünner Schweißfilm mein Gesicht, Schweißperlen tropfen von meinen Schläfen und an meinem Rücken läuft der Schweiß die Wirbelsäule hinunter direkt in die Unterhose. (Eine Information, auf die Sie sicherlich gerne verzichtet hätten, und die Bilder in Ihrem Kopf hervorruft, die Sie noch lange verfolgen werden.)

Weiterlesen

Corona-Föhrien 2020 – Vorbereitung 2: Von Friseurbesuchen, Klamottenshoppingverweigerung und Kofferpackenpatriarchat

Der (fast) alljährliche Urlaubsblog. Diesmal nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Zur besseren zeitlichen Orientierung sei erwähnt, dass der Urlaub Ende Juni / Anfang Juli stattfand. Die kompletten Beiträge finden Sie hier.

Niemand hat die Absicht, wie ein zotteliger Yeti in den Urlaub zu fahren

„Hallo, ich würde mir gerne die Haare schneiden lassen“, sage ich, als ich den Friseurladen betrete. Für mich fängt der Urlaub immer schon einen Tag vor der Abreise an, wenn ich mir meinen sommerlichen Strandschnitt verpassen lasse. Entsprechend gut gelaunt und erwartungsfroh schaue ich meinen arabischen Friseur an. Er schaut teilnahmslos, fast schon unenthusiastisch zurück. Anscheinend erkennt er mich nicht.

Kein Wunder, denn ich trage meine Maske und war außerdem schon länger nicht mehr da. Zuerst waren die Friseurläden coronabedingt geschlossen und dann habe ich das Social Distancing weiter ernst genommen und die Wohnung so selten wie möglich verlassen. Daher liegt mein letzter Haarschnitt mehr als vier Monate zurück.

Allmählich dämmert meinem arabischen Friseur, wer da vor ihm steht. Er schaut auf meine Haare und für den Bruchteil einer Sekunde weiten sich seine Augen in einer Mischung aus Entsetzen und Abscheu. Trotzdem kann er seinen Blick nicht abwenden. Wie bei einem Autounfall, bei dem du nicht nicht hinschauen kannst.

Nicht schön, aber zum Glück selten.
Weiterlesen

Corona-Föhrien 2020 – Vorbereitung 1: Von Not-all-inclusive-Urlauben, akzeptablen Eltern, Verschwörungstheorien und lebenslangem Social Distancing

Der (fast) alljährliche Urlaubsblog. Diesmal nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Zur besseren zeitlichen Orientierung sei erwähnt, dass der Urlaub Ende Juni / Anfang Juli stattfand. Die kompletten Beiträge finden Sie hier.

Ein Urlaubsziel für die ganze Familie. Oder: Mitgehangen, mitgefangen

„Nächstes Jahr fahren wir in den Sommerferien mal wieder nach Föhr“, eröffneten die Frau und ich vor ungefähr einem dreiviertel Jahr am Abendbrottisch den Kindern. Ich überbrachte die Botschaft und legte dabei mehr Begeisterung in meine Stimme als ein QVC-Moderator, der ein siebenteiliges Messerset mit eisgehärteten Klingen aus rostfreiem Stahl anpreist („Das ist der reinste Wahnsinn!!! Damit steht das Kochen nie mehr auf Messsers Schneide! Nie mehr. Waaaaahnsinn!!!“). Die Frau nickte dazu enthusiastisch wie ein Wackel-Dackel auf der Autobahn bei Tempo 250. So sollte bei den Kindern gar nicht erst der Gedanke aufkommen, dass ein Nordsee-Urlaub so viel Exotik und Aufregung wie ein Besuch der Attendorner Tropfsteinhöhle verspricht.

Der Sohn war trotzdem nur mäßig begeistert. Ihm hatte eher ein All-Inclusive-Chillen auf Teneriffa oder Madeira vorgeschwebt, weil er das bei irgendeinem YouTuber gesehen hatte, und sein Plan war es, dort den ganzen Tag am Pool abzuhängen und nur ab und an eine kleine Essenspause einzulegen. Der Urlaubstraum eines jeden Teenagers. Da der Sohn aber keinen Beitrag zum Urlaubsbudget leistet, ist sein Mitspracherecht bei der Wahl des Urlaubsortes sehr beschränkt. Irgendwo haben die liberale Erziehung und die demokratische Mitbestimmung in unserer Familie auch ihre Grenzen. Zum Beispiel bei den Finanzen.

Weiterlesen

Urlaubsblog: Wenn nichts geht, dann muss auch nichts

Es ist Dienstagmorgen, 9.30 Uhr. Die Kinder spielen im Pool, die Frau liegt lesend auf dem Liegestuhl, im Hintergrund zirpen die Zikaden, ein paar Vögel zwitschern. Eigentlich alles ganz idyllisch.

Trotzdem fühle ich mich angespannt, fast schon gestresst. Ich müsste etwas für den Urlaubsblog schreiben, müsste den Beitrag von gestern veröffentlichen, müsste ein paar Bilder bearbeiten. Im Urlaub sollst du aber nicht „Müssen“ müssen, im Urlaub sollst du „Wollen“ wollen. (Ein Satz, der in meinem Kopf ganz gut klang, sich aber so niedergeschrieben etwas merkwürdig liest. Egal, ich lasse ihn jetzt so stehen.)

In den letzten Jahren habe ich mich immer auf den Urlaubsblog gefreut. Fernab vom Alltag und der Arbeit genügend Zeit haben, um in Ruhe zu bloggen. So wie andere Menschen am Strand, beim Wandern oder beim Sightseeing entspannen, so genoss ich es, meine Umwelt zu beobachten und darüber zu schreiben. Zum Beispiel über verschrobene Strandkorbnachbarn auf Föhr, über vollkommen überfüllte Strände auf Sardinien oder über morgendliches Joggen mit streunenden Hunden in Psakoudia. Von der Muse geküsst, flogen mir die Einfälle und die Formulierung förmlich zu. Ich notierte sie tagsüber in meinem Büchlein, tippte sie abends ab, veröffentlichte sie in der Nacht und erfreute mich am nächsten Tag über die vielen positiven Reaktionen.

Doch dieses Jahr ist es irgendwie anders. Die Einfälle und Formulierungen fliegen mir nicht zu, sondern ich muss sie suchen. Und zwar krampfhaft. Trotzdem finde ich nichts. Weder beim Joggen noch am Strand und auch nicht beim Einkaufen oder beim Schlendern durch Bali. Nach acht Jahren Urlaubsblog scheint mein Kopf leer zu sein, es fehlen mir die Ideen, etwas zu schreiben, was ich nicht schon dutzende Male beschrieben habe.

Eigentlich war ich schon vor dem Urlaub skeptisch, was die Bloggerei angeht. Aber das hatte ich bisher jedes Jahr. Die Befürchtung, dass mir nichts einfällt, ich keine Ideen habe, es nicht genügend Stoff für Beiträge gibt. Wenn wir dann aber in unserem Urlaubsort ankamen, lief das Schreiben immer fast wie von alleine.

Aber nicht so in Bali. Hier küsst mich die Muse nicht, sondern ich muss mit ihr kämpfen, sie regelrecht in den Schwitzkasten nehmen, damit sie überhaupt irgendetwas ausspuckt. Und abends hatte ich keine Lust, noch etwas zu schreiben, sondern der Gedanke, den Computer hochzufahren, hatte eher etwas Zwanghaftes. Eher wie Arbeit als ein Hobby, das Spaß macht. Etwas, was ich tun muss, aber nicht was ich tun will.

Im Urlaub sollst du aber nicht „Müssen“ müssen, im Urlaub sollst du „Wollen“ wollen. (Auch beim zweiten Mal hört sich der Satz nicht viel besser an.) Oder wie es so schön heißt: Alles geht, nichts muss. Und wenn nichts geht, dann muss auch nichts.

Ich will mich in den nächsten Tagen aber nicht mit meiner Einfalls- und Ideenlosigkeit rumärgern müssen, sondern ich will die Zeit mit der Familie genießen, seichte Urlaubslektüre lesen, am Strand und im Garten abhängen und mich einfach erholen. Und deswegen habe ich entschieden, dass ich den diesjährigen Urlaubsblog beende, bevor ich ihn richtig begonnen habe.

Herzlichen Dank für die vielen Kommentare und Reaktionen auf die ersten beiden Beiträge. Lesen Sie einfach meine alten Urlaubsblog oder genießen Sie so den Sommer.

Bis bald!

Kreta 2019 – Anreise: Besondere Vorkommnisse: keine

Samstag, 5.55 Uhr. Der Wecker klingelt. Nicht weil wir so früh zum Flughafen müssen, sondern weil der Sohn aus irgendeinem brandenburgischen Nest abgeholt werden muss, wo er die letzte Woche im Judo-Camp war. Die Frau und die Tochter nehmen die Zwei-Stunden-Fahrt auf sich, ich nutze den Vormittag für ein paar Erledigungen.

Leave all that can be spared behind. We travel light.

Zunächst räume ich die Wohnung auf, sauge überall und putze Bad und Küche. Das nervt zwar, wenn wir aber in zwei Wochen zurückkommen, sieht es wenigstens nicht aus, als hätte in unserer Abwesenheit eine Bande von Mietnomaden in der Bude gehaust. Das würde nur den Urlaubsende-Blues vergrößern und jegliche Erholung der vorausgegangenen vierzehn Tage zunichtemachen.

###

Weiterlesen

Kreta 2019 – Vorbereitung: Von Villen mit Pool, Flugscham und dem langweiligsten Ferienort der Welt

Morgen startet der alljährliche Familienurlaub. Um eins gleich vorwegzunehmen: Im Gegensatz zum letzten Jahr geht es diesmal nicht nach Föhr, wenngleich der (fast) tägliche Genuss köstlicher Campingwecken eine ziemlich starke Anziehungskraft ausübt. Allerdings ist Föhr nicht sonderlich groß und im letzten Jahr habe ich festgestellt, dass doch die ein oder andere Urlauberin*, meine täglichen Berichte über das Brötchenholen, die Trainingseinheiten mit Beach Body oder das Leben in der Strandkorb-Siedlung lasen. Einerseits schmeichelt das selbstverständlich meinem Autoren-Ego, andererseits kann es im ungünstigen Fall aber dazu führen, dass eine wildfremde Person am Strandkorb auftaucht und sagt: „Ich wollte nur mal schauen, wie sie in echt aussehen.“ Im noch ungünstigeren Fall erscheint eine Person, über die ich am Vortag geschrieben habe, und haut mir eine rein. Beides eher unschöne Szenarien, die es zu vermeiden gilt. Es musste also ein etwas weiter entfernter Urlaubsort sein – vorzugsweise außerhalb Deutschlands –, der mehr Anonymität verspricht.

(*Im Folgenden verwende ich ausschließlich die weibliche Form, Männer und andere Geschlechter sind aber mitgemeint. Außer ich vergesse es und benutze die männliche Form. Dann sind Frauen und andere Geschlechter mitgemeint.)

Weiterlesen

Föhr 2018 – Nachschlag 2: “Mord in Strandkorb 27. Alle sind föhrdächtig”

Wenn Sie meinen gestrigen Beitrag gelesen haben, wissen Sie, dass ich auf der Suche nach einer Geldquelle bin, um dauerhaft mit der kompletten Familie als Privatier nach Föhr umzusiedeln und eine luxuriöse Wohnung mit Meerblick zu beziehen. Optionen wie Kurkapellen-Roadie, Föhrer Bettelmusikant, Alpaka-Farmer und sonntäglicher Campingwecken-Monopolist scheiden leider aus. Daher ist meine beste Möglichkeit, zu viel Geld zu kommen, einen Bestseller-Roman zu schreiben. (Allenfalls beim Lottospielen habe ich eine noch höhere Chance, reich zu werden.)

Da die Nische des Föhr-Krimis noch nahezu unbesetzt ist, habe ich genau dafür eine Ideenskizze entwickelt, die ich nun an die renommiertesten deutschen Verlage schicken werde, damit diese sich an einer Ersteigerung der Druckrechte beteiligen können. (Es wäre ja unfair, gäbe ich nur einem Verlag die Möglichkeit, den neuen, erfolgreicheren Sebastian Fitzek zu entdecken.)

Den treuen Leserinnen und Lesern des Familienbetriebs und insbesondere des Föhr-Urlaubsblogs gewähre ich gerne eine exklusive Sneak-Preview in den Roman. Viel Spaß beim Lesen!

Weiterlesen

Föhr 2018 – Nachschlag 1: „Ich will wieder an die Nordsee, …“

Sonntagabend, kurz nach acht. Ich stehe auf unserem Balkon, schaue auf die kleine Straße, in der wir wohnen, und habe Fernweh nach Föhr. Quasi Föhrweh. Es ist eine gute Woche her, dass wir aus dem Urlaub zurück sind, aber ich muss gestehen, ich bin noch nicht wieder richtig im Alltag angekommen. Okay, ich trage jetzt wieder jeden Tag lange Hosen, denn würde ich in Berlin kurze Hosen tragen, stünde ich kurz davor, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren. (Als nächstes tanze ich dann in Vollmondnächten nackt im Tiergarten und fühle mich eins mit der Natur.)

Aber trotz meiner langen Beinbekleidung wandern meine Gedanken mehrmals am Tag zu unserem Föhrurlaub. Morgens erwarte ich beispielsweise, dass Beach Body in der Küche sitzt und mir erstmal eine Standpauke hält, dass ich gefälligst die Cornflakes im Regal gegen kernige Vollkorn-Haferflocken austauschen solle, von denen ich morgens drei Teelöffel ohne Milch essen dürfte. Danach zwingt er mich zu einem „lockern 20-Kilometer-Trainingsläufchen“. Bisher ist Beach aber noch nicht aufgetaucht. Stattdessen schickt er mir regelmäßig „motivierende“ WhatsApp-Nachrichten. „Mann oder Mäuschen? Beweise dich heute in der 200-Klimmzüge-Challenge!“ Oder „Weißmehl-Produkte am Morgen, bringen Kummer und Sorgen. Weißmehl-Produkte am Abend, das Körperfett wird sich laben.“

Weiterlesen

Föhr 2018 – Heimreise: Der Mann vom Strandkorb nebenan. Oder: Die Hölle, das sind die anderen

Heute ist Abreisetag und ich warte beim Bäcker in der Schlange. Plötzlich höre ich, wie jemand unüberhörbar und sehr ausführlich über die Konsistenz des Föhrer Landbrotes – einem der Verkaufsschlager hier im Laden –, über traditionelle Backverfahren sowie über die heutigen Backfabriken doziert. Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Charly ist, der da so laut redet. (Anm. der Redaktion: Alle Namen sind geändert.)

Wir sind Charly das erste Mal vor sechs Tagen begegnet. Oder besser gesagt er begegnete uns. Die Frau und ich saßen im Strandkorb, die Kinder spielten im Wasser, wir genossen die Sonne, dösten ein wenig und lasen so vor uns hin. Bis auf einmal eine laute Männerstimme ertönte. Anscheinend von einem Bekannten des Paares im Strandkorb neben uns. (Genau, da wo anfangs der Beinversehrte residierte.) Sie eine brünette, schlanke Frau von Mitte 40, die einen ganz sympathischen Eindruck machte, er etwas älter, schwarze Haare, nicht mehr ganz rank, eher etwas muffelig und mit der Angewohnheit, laut geschäftliche Telefonate am Strand zu führen. Dazu zwei reizende Töchter im Alter von circa zehn und zwölf, die so wohlerzogen waren, dass zu erwarten ist, dass sie in fünf, sechs Jahren so richtig durchdrehen, mit Drogen und Alkohol experimentieren und sich die Zungen piercen und die Fingerknöchel tätowieren lassen.

Weiterlesen