¡Hola España! – Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer (Teil 2)

Teil 1


Beobachte am Strand das Meer, das sich bei jeder Welle in seinen Ausläufern unserem Liegeplatz bedrohlich annähert. Man müsste mal die Tücher, Taschen und Schuhe weiter nach oben ziehen. Dazu müsste man aber aufstehen und das erfordert einen Energieeinsatz, zu dem ich mich gerade nicht in der Lage fühle. Stattdessen hoffe ich auf einen Adrenalin-Kick, wenn mir das Wasser fast über die Füße schwappt, der mir ermöglicht, in letzter Sekunde aufzuspringen und alles in Sicherheit zu bringen.

Wir sind nun schon seit zwei Stunden am Strand. Gerate allmählich in Zugzwang, tatsächlich ins Wasser zu gehen. Zum einen habe ich mit meiner Badehose ein Statement gesetzt, das insbesondere bei meiner Frau Erwartungen geweckt hat.

Zum anderen sind wir nur noch vier Tage hier. Wenn du in einem zweiwöchigen Strandurlaub kein einziges Mal ins Meer gegangen bist, giltst du schnell als „merkwürdig“. Mein Schwimmstil allerdings auch.

Ich wäre ein wesentlich besserer Schwimmer, müsste man dabei nicht mit dem Kopf unter Wasser. (Ein noch besserer Schwimmer wäre ich, bliebe das Element Wasser gänzlich außen vor.) Das finde ich äußerst unangenehm. Für Augen, Ohren und Nase. Außerdem funktioniert das mit der Atmung unter Wasser bekanntlich nicht.

Ich bin von wenigem so überzeugt wie davon, dass weder Gott noch die Evolution möchten, dass wir mit dem Kopf untertauchen. Sonst hätten wir schließlich Kiemen. (Und Schwimmbrillen, die sich vor die Augen stülpen, sobald du unter Wasser gehst.)

Ich würde sogar behaupten, freiwillig zu schwimmen ist eine Verhöhnung der Evolution. Vor hunderten Millionen Jahren haben doch nicht die ersten Lebewesen das Wasser verlassen und sich in einem sehr mühseligen Trial-and-error-survival-of-the-fittest-Prozess zu Menschen entwickelt, damit ich jetzt zurück ins Meer latsche.

Andererseits habe ich extra die Badehose angezogen, da wäre es irgendwie schade, sie nicht zu nutzen. Entledige mich also als erstes meines T-Shirts und hoffe, die anderen Strandbesucher*innen werden nicht schneeblind. Da ich nie oberkörperfrei am Strand liege (Stichwort Hautkrebs) und durch die viele Lauferei habe ich recht braune Arme und Beine, aber einen sehr weißen Oberkörper. Sehr, sehr weiß. Weißer als das Nachher-Hemd in der Waschmittelwerbung. Sogar weißer als ein Treffen des CDU-Ortsverbandes Zehlendorf.

Trete schließlich den Gang ins Meer an, das sich angenehm erfrischend an den Füßen präsentiert. Im Gegensatz zum Untergrund, der unangenehm steinig ist. Dann kommt plötzlich eine Stufe und ich gerate ins Taumeln, als hätte ich mir heute früh die Frühstücksbiere genehmigt.

Whity Whiteman auf dem Weg ins Wasser

Aus der Not eine Tugend machend, stürze ich mich direkt ins Wasser und mache ein paar Schwimmzüge oder so etwas ähnliches. Dann lasse ich mich von den Wellen treiben und tauche kurz mit dem Kopf unter, denn du kannst nicht im Meer gewesen sein und mit trockenen Haaren wieder rauskommen. (Stichwort merkwürdig) Anschließend kehre ich zurück zu unserem Liegeplatz, zufrieden den Punkt „im Meer baden“ von der Urlaubs-To-Do-Liste streichen zu können.

Meine Frau dokumentiert meine Meer-Expedition mit ein paar Fotos in der Familien-WhatsApp-Gruppe und versieht diese mit unangemessenen „es geschehen noch Zeichen und Wunder“-Bemerkungen.

Für abends ist starker Regen angesagt. Der lässt zwar auf sich warten, aber der Strand ist dennoch menschenleer. Das schränkt das Abendessen begleitende Entertainmentprogramm erheblich ein.

Irgendwann erscheint doch noch ein Mann. Er trägt ausschließlich schwarze Shorts und versucht, ein Selfie zu machen. Glaube ich zumindest. Aus der Ferne ist das nicht eindeutig zu erkennen. Vielleicht macht er auch sehr langsames Schattenboxen.


Bilanz des Tages

  • 11,04 Kilometer gelaufen
  • 14.037 Schritte
  • 0 Frühstücksbiere
  • 3 Minuten im Meer
  • 1-mal mit dem Kopf unter Wasser
  • 2 Kniffel (einer für mich, einer für meine Frau, ihrer der Herzen)

¡Hola España! – Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

7.45 Uhr. Aufwachen, rein in die Sportklamotten, raus auf den Balkon. Banane, Kaffee, Keks, aufs Meer schauen.

Lust auf einen zweiten Kaffee, aufgrund verfehlter Einkaufsplanung sind nur jedoch noch drei Kapseln da. Eine für meine Frau, zwei fürs Frühstück. Kaffee 2.0 muss ausfallen. Verdammt.

Stattdessen dehnen, Laufschuhe an und runter auf die Promenade. Heute steht ein „flotter Zehner“ an. Das ist kein Ausdruck für eine fröhliche Gruppensex-Veranstaltung, sondern die Bezeichnung für einen Zehn-Kilometer-Lauf in forderndem Tempo. (Plus jeweils zwei Kilometer Ein- und Auslaufen in nicht forderndem Tempo.)

Am Rande der Promenade steht wieder der Ü70 Personal Trainer und überwacht mit Stoppuhr und Trillerpfeife das Training seines U40 Schützlings. Der Mann schwitzt ordentlich, der Personal Trainer nicht.

Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Außer dass ich mal ein paar Läufer*innen überhole. Darunter meine Frau, wie sie mir später erzählt, aber das habe ich nicht mitbekommen. (Stichwort voller Fokus aufs Laufen)

Titelbild mit einem Stück Käsekuchen auf einen blauen Tonteller. Auf dem Käsekuchen ist Erdbeersauce, die am Rand überläuft.
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¡Hola España! – Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen (Teil 2)

Teil 1


Plan für die Abendgestaltung: Spaziergang nach Cambrils, Souvenirs und Postkarten besorgen, Essen gehen. Da uns der Spaziergang hungrig gemacht hat, ziehen wir, als wir in Cambrils ankommen, den Punkt „Essen gehen“ vor.

Nachdem wir circa fünfzehn Minuten auf der Suche nach einer Essenslokalität durch den Ort geschlendert sind – wie zwei Löw*innen, die nach einem Gnu Ausschau halten –, landen wir vor dem El Pòsit. Eine Tapas Bar, die bei Google eines der am besten bewerteten Restaurants in Cambrils ist. Die Karte vor dem Lokal ist zwar rein Spanisch, aber wir erkennen genügend Worte, um zu dem Schluss zu kommen, dass wir hier kulinarisch fündig werden.

Allerdings ist es erst 18.15 Uhr, alle Tische sind noch unbesetzt. Uns widerstrebt es, die ersten Gäste zu sein. Zu viel Präsentierteller und zu viel Aufmerksamkeit durchs Personal, das uns wegen der frühen Abendessenszeit wahrscheinlich für merkwürdig hält. Oder für deutsche Touristen. Oder für merkwürdige deutsche Touristen.

Wir gehen erstmal weiter, nach gastronomischen Alternativen Ausschau haltend. Die sehen aber alle weniger vielversprechend aus. Folglich kehren wir nach zehn Minuten zurück zum El Pòsit. Dort sitzt inzwischen wenigsten ein Paar an der Theke. Mir wird die Aufgabe übertragen, in Erfahrung zu bringen, ob wir draußen Platz nehmen können.

Zunächst frage ich die Frau hinter der Bar, ob sie Englisch spricht. Sie entschuldigt sich, ihr Englisch sei „very small“. Ich erkläre ihr, sie müsse sich überhaupt nicht entschuldigen, mein Spanisch sei smaller. Ihr Englisch ist dann doch big enough, um mir zu erklären, wir mögen bitte drinnen essen.

Das Restaurant ist modern eingerichtet, mit viel Holz, grün und angenehmem Licht. Alles etwas hipsterig, aber dennoch gemütlich. Verschiedene Poster und Wandbeschriftungen weisen darauf hin, dass die Zutaten bio und lokal sind und nach Möglichkeit wird auf Allergien Rücksicht genommen.

Als erstes nimmt die Frau unsere Getränkebestellung auf. Kurze Zeit später steht ein Liter Sangria auf unserem Tisch. Ich würde gerne behaupten, das sei auf ein Missverständnis aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen. Das wäre aber gelogen, wir bekommen exakt das, was wir ausgesucht haben. („Sangria.“ „One litre?“ „Yes, one litre.“)

Unsere Tapas suchen wir mittels der digitalen Speisekarte aus. Das ist praktisch, weil wir sie uns auf Englisch übersetzen lassen können, damit wir überhaupt wissen, was wir bestellen.

Die gewünschten Speisen zeigen wir der Bedienung auf den Bildern der elektronischen Karte, um Verwechslungen auszuschließen. Brava del pòsit mit iberischem Chorizo-Hash, das Bio-Käsebrett, knuspriges Hähnchen aus der Freilufthaltung sowie Knoblauch-Garnelen. Da die Frau bisher nicht gezuckt hat, nehmen wir noch Knoblauchbrot dazu.

Alles ist köstlich. Der Sangria fruchtig, die Kartoffeln würzig, der Käse käsig, das Hühnchen außen knusprig und innen zart, das Knoblauchbrot knoblauchig.

Ein Kellner bringt die Garnelen und erklärt etwas dazu. Er spricht kein Englisch, aber sein Spanisch ist fließend. Meines immer noch nicht, ich verstehe kein Wort. Er redet weiter und macht Grimassen, die unterstreichen sollen, was er sagt. Ich habe weiterhin keinen Schimmer, was er da erzählt. Ich nicke trotzdem, sage „Ah, yes“, als hätte ich eine Eingebung und lache etwas dämlich, weil ich den Eindruck habe, die Situation erfordert das von mir.

Weil alles so schön ist, wir uns gut fühlen und der Sangria seine Wirkung entfaltet, gönnen wir uns noch Nachtisch: einen Brownie und ein Stück Käsekuchen. (Man lebt bekanntlich nur einmal und mit verfetteter Leber gar nicht so lange.) Beides ist phantastisch.

Der Brownie hat genau den richtigen Grad an Schokoladigkeit. Nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel, so dass du nach dem ersten Bissen das Gefühl hast, du willst nie wieder etwas zu dir nehmen, das auch nur den Anschein erweckt, Schokolade zu enthalten.

Der Käsekuchen ist ein Gedicht. Einer der besten Käsekuchen, die ich je gegessen habe. Er ist cremig, der Boden leicht salzig und die Erdbeersauce fruchtig. In Kombination ist das so lecker, dass dieser Käsekuchen einen eigenen Wikipedia-Eintrag haben sollte, wissenschaftliche Abhandlungen müssten über ihn geschrieben werden und ich frage mich ernsthaft, warum es keinen Hollywood-Blockbuster mit ihm in der Hauptrolle gibt.

Der Mond über Cambrils

Auf dem Heimweg müssen wir uns noch um Postkarten und Souvenirs kümmern. Die hatten wir bekanntlich auf unserer Cambrils-To-Do-Liste zugunsten der Essensaufnahme depriorisiert.

Das mit den Postkarten verschieben wir gleich mal auf einen anderen Tag. Schließlich sind wir hier im Urlaub und nicht auf der Arbeit, wo du als Lohnknecht des kapitalistischen Verwertungssystems stumpf irgendwelche Aufgaben abarbeitest. Außerdem sehe ich in den Kartenständer vor den Läden keine schönen Karten. (Zumindest nicht in den zehn Sekunden, die ich mir dafür Zeit nehme.)

In einem Geschäft, das auf mandelbasierte Süßwaren und Gebäck spezialisiert ist, besorgen wir verschiedene Mitbringsel. Ab einem bestimmten Alter ist es ratsam, deinen Eltern Verzehrbares aus dem Urlaub mitzubringen und nicht irgendwelchen Nippes, der die Wohnung zumüllt und den du später selbst entsorgen musst. (Ich würde die Altersgrenze diesbezüglich auf ungefähr 48 setzen.)

Anschließend suchen wir einen Souvenirladen auf, der nicht ganz so trashig aussieht, denn auch im Urlaub pflegen wir einen gewissen Dünkel. Für die Tochter kaufen wir ein Schnapsglas für ihre Sammlung und für uns den obligatorischen Kühlschrankmagneten. Dazu den roten Porzellanstier, von dem wir immer noch annehmen, er mache sich gut in unserer Küche als Dekorelement. (Selbstverständlich immer noch ironisch.)

Der Mann an der Kasse entfernt mit Reinigungsbenzin das Preisschild von dem Stier und verpackt ihn sorgfältig in Luftpolsterfolie. Guter Service. So ist das Porzellantier beim Transport gut geschützt und ich habe später etwas zum Spielen.


Bilanz des Tages

  • 14,01 Kilometer gelaufen
  • 4 Läufer*innen überholt (darunter meine Frau, ohne es zu bemerken)
  • 29.740 Schritte gegangen
  • 41,24 Euro im Supermarkt ausgegeben
  • 1 Kniffel der Herzen (meine Frau)
  • 1 Liter Sangria getrunken
  • 1 roten Stier, 1 Shotglas und 1 Kühlschrankmagnet gekauft

¡Hola España! – Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou)

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Balkon, Kaffee, Keks, aufs Meer schauen. Das Laufen ein wenig rauszögern. Das muss auch mal sein. Sonst wirkt man so überehrgeizig, überambitioniert, überdiszipliniert. Und überunsympathisch. Lieber noch ‘nen Kaffee. Und noch ‘nen Keks.

Wenn ich mich nicht täusche, ist heute Sonntag. Falls das stimmt, wäre die Hälfte des Urlaubs rum. Vielleicht schon mehr als die Hälfte. Ich weiß es nicht, ich habe da ein wenig den Überblick verloren.

Bei Halbzeit fängt die Rechnerei an, welche Lebensmittel bis zum Ende des Urlaubs reichen.

  • Müsli? Vielleicht.
  • Nocella? Nein. (Unbedingt nachkaufen)
  • Marmelade? Auf jeden Fall.
  • Kekse? Möglicherweise. (Sicherheitshalber nachkaufen)
  • Butter? Definitiv ja.
  • Kaffee? Definitiv nein. (Unter allen Umständen nachkaufen)
Titelbild mit dem Schattenriss eines Kopfes auf einem Stamm einer Palme, die auf der Strandpromenade steht
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¡Hola España! – Tag 08 (15.09.): Das ganze Leben ist ein Fake. (Zumindest auf der Strandpromenade Richtung Salou) (Teil 2)

Teil 1


Mission „Fake-Trikot-Kauf“. Wie vor ein paar Tagen berichtet, ist der Sohn ein großer Fan nachgemachter Fußball-Trikots. Also liegt es nahe, ihm eins als Mitbringsel zu besorgen, denn die gibt es auf der Strandpromenade Richtung Salou in Hülle und Fülle.

In unserem gestrigen Telefonat deutete er an, er würde sich über ein Real-Madrid-Trikot freuen. Ich selbst bin kein großer Freund des Vereins, er ist mir sogar zutiefst unsympathisch. Wobei man sich als Bayern-München-Fan beim Thema „unsympathische Vereine“ nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte.

Ich gehe davon aus, dass der Sohn nicht das Trikot irgendeines Ersatzspielers möchte, der nie zum Einsatz kommt, sondern von Mbappé. Auch das begeistert mich nur wenig. Nicht weil ich etwas gegen den französischen Stürmer persönlich habe, sondern ich finde diese kultische Verehrung von Fußballern befremdlich. Hier sitze ich ebenfalls Steine schmeißend im Glashaus, glich mein Zimmer früher doch einem Boris-Becker-Tempel und war von oben bis unten mit Postern des Leimener Wimbledonsiegers tapeziert.

An der Promenade sitzen Dutzende Händler*innen. Das Angebot ist strikt gegendert. Die Frauen flechten Bänder in Haare, die Männer verkaufen gefälschte Markenprodukte. Von Trikots über Schuhe, Designer-T-Shirts, Unterwäsche, Uhren, Taschen, Jacken bis hin zu Sonnenbrillen. Ob es wohl Menschen gibt, die denken, sie kaufen hier tatsächlich Originale.

Die Trikotverkäufer haben alle Vereine und Nationalmannschaften im Sortiment, die auch nur ein bisschen populär sind. Ich bin kein Experte, aber die nachgemachten Shirts scheinen eine okaye Qualität zu haben. Wahrscheinlich werden sie von den gleichen Kindern in den gleichen Fabriken zusammengenäht wie die Originale.

Vorher hatte ich mich im offiziellen Real-Shop schlau gemacht, wie die aktuellen Shirts aussehen, um mich zu vergewissern, dass die Fakes zumindest eine gewisse Ähnlichkeit haben. Auf der Real-Website kostet das „authentic“ Heimtrikot 150 Euro, die Version ohne den Zusatz „authentic“ 100 Euro. Was die Frage aufwirft, ob Real seine eigenen Fakes verkauft.

Bei den Promenaden-Händlern kosten die Trikots 25 Euro. Wahrscheinlich könnte ich den Preis noch runterhandeln. Als gutverdienender, weißer Dude habe ich allerdings Skrupel, mit einem schwarzafrikanischen Straßenverkäufer, bei dem ohnehin nur ein winziger Bruchteil der Einnahmen hängenbleibt, um fünf Euro zu feilschen.

Ich bezahle den geforderten Preis und bin froh, den Punkt „Fake-Trikot kaufen“ von der Urlaubs-To-Do-Liste streichen zu können.

Am Strand wählen wir heute einen anderen Platz, etwas weiter links als sonst. Gerade im Urlaub ist es ja wichtig, spontan und flexibel zu sein, auch mal die gewohnten Pfade zu verlassen und neue Erfahrungen zu machen. Warum eigentlich? Fühlt sich irgendwie merkwürdig an.

Neben uns spielt ein Vater ausgiebig Fußball mit seinem ungefähr vierjährigen Sohn. Oder wie meine Frau sagt: „Er tut alles dafür, dass der Kleine heute Abend müde ist.“ Der Plan geht nur so semi auf: Der Vater muss irgendwann eine Pause einlegen, der Junge buddelt daraufhin mit seiner Mama im Sand.

An unserem Liegeplatz spaziert ein Pärchen Hand in Hand vorbei. Der Mann hat ein großes Tattoo auf der unteren Hälfte seines Rückens. Sieht wie ein großes und ein kleines Mammut aus. Aber vielleicht erkenne ich das aus der Ferne nicht richtig, weil die Gläserstärke meiner Sonnenbrille nicht mehr optimal auf meine Augen abgestimmt ist. Oder der Typ ist tatsächlich großer Mammut-Fan. (Wie immer: Nicht super wahrscheinlich, aber auch nicht vollkommen unmöglich.)

Aus der anderen Richtung kommt eine ältere Frau mit strammem Schritt näher. Sie hat kurze, graue Haare, trägt eine große Sonnenbrille, die farblich auf ihren Bikini abgestimmt ist, über ihrer Schulter hängt eine gelbe Stofftasche mit Blumenmuster.

Eine tolle Erscheinung. Sie strahlt Stil, Würde und Charisma aus. Am liebsten würde ich ein Foto von ihr machen. Dazu müsste ich sie aber entweder fragen (weird) oder einfach so knipsen (pervy). Verzichte also darauf.

Ein Ehepaar auf zwei Klappstühlen von hinten aufgenommen. Die beiden sitzen am Strand und schauen aufs Meer. Neben ihnen steht ein zusammengeklappter Sonnenschirm.
Life goal

Beim Abendessen wieder zu viel Wind für Strand-Foto-Sessions. Nur eine Frau lässt sich von ihrem Begleiter ablichten, aber ihr Kleid weht fast davon. Da sie auf die Art von Fotos offenbar keinen Bock hat, ziehen die beiden unverrichteter Dinge wieder ab. Null Punkte bei der Influencer Academy.

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Bilanz des Tages

  • 15,57 Kilometer gelaufen
  • 22.185 Schritte
  • 1 Friseur-Leistungsschau gesehen
  • 1 Frau mit einer Nuss abgeschossen
  • 1 Eis vor dem Frühstück gegessen
  • 1 Fake-Trikot gekauft
  • 4 Kniffel (3 davon ich)

¡Hola España! – Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch

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6 Uhr. Der Wecker klingelt. Ich habe kein Deja-vu, sondern der nächste lange Lauf will gelaufen werden. Sollte gelaufen werden, muss gelaufen werden. Bin ein bisschen besorgt, dass das so schlimm wird wie letzten Sonntag. Da lag die Luftfeuchtigkeit bei 1.000 Prozent. Nicht gefühlt, sondern real.

Trete auf den Balkon. Draußen ist es stockdunkel, das Meer rauscht gruselig. Hoffentlich macht hier kein Serienmörder Urlaub. Oder noch schlimmer: Workation. Allerdings ist Wochenende. Da muss er nicht arbeiten. Außer er ist selbstständig und kann sich seine Projekte einteilen, wie er möchte. Dann fängt er aber bestimmt nicht Samstagmorgens um 6 Uhr an. Oder?

Titelbild mit einem aufblasbaren Schwimmring in Einhornform
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¡Hola España! – Tag 07 (14.09.): Man spricht kein Deutsch (Teil 2)

Teil 1


Besuch im Supermarkt. Während wir uns einen Einkaufswagen nehmen, der eigentlich ein großer Einkaufskorb mit Rollen ist, sprüht sich der junge Kassierer mit einem der Parfums im Eingangsbereich ein. Schön, dass er gut riechen möchte. Außerdem duftet es jetzt im Gang sehr erfrischend.

Beim Bezahlen steht ein älteres Ehepaar vor uns an der Kasse. Die Frau fragt den jungen Kassierer auf Deutsch mit starkem russischem Akzent, ob er Deutsch spricht. Tut er nicht und schaut sie fragend an.

So schnell gibt die Frau nicht auf und fragt: „Morgen Sonntag schlafen?“ Dazu legt sie ihre Wange auf ihre Hände, die pantomimisch ein Kissen darstellen sollen.

Das Fragezeichen im Gesicht des jungen Mannes wird noch größer. Ich vermute, sie will wissen, ob morgen am Sonntag geschlossen ist. Ich frage ihn auf Englisch, er antwortet, ab halb neun sei geöffnet, ich gebe diese Information an die ältere Frau weiter.

Die mokiert sich, dass niemand im Ort Deutsch spräche. Daraufhin meint meine Frau: „Wir sind ja auch in Spanien.“

Ein Argument, dass die andere nicht überzeugt. Sie sagt noch einmal: „Aber hier spricht niemand Deutsch.“

Einhorn-Schwimmring für die dunklen Zeiten

Telefonat mit dem Sohn. Meine Frau will wissen, wie es den Blumen geht. „Gut“, antwortet er, zögert aber ein wenig zu lange, um überzeugend rüberzukommen. Ich frage ihn, ob er sie schon länger nicht gesehen habe und sich deswegen nicht sicher sei.

Der Sohn verneint energisch. Er gieße sie jeden Tag und käme sich vor wie ein Gärtner. Zum Glück ist er kein Gärtner. Für ihn und für die Balkonpflanzen. „Voll krass, wie viel Aufmerksamkeit die brauchen“, fährt er fort.

„Das ist wie mit Kindern“, erklärt meine Frau. „Die wollen auch ständig etwas von einem.“

Der Sohn schaut sie entsetzt an. „Dann nehme ich mir später eine Nanny“, sagt der Sohn. Seinem Gesichtsausdruck nach überlegt er gerade, ob es auch Pflanzen-Nannys gibt.

Rest des Nachmittags Strand: Dösen, lesen, dösen, viel ächzen, viel stöhnen. Eigentlich ganz schön. Außer das Ächzen und Stöhnen.

Auf dem Rückweg zur Ferienwohnung sagt meine Frau etwas unvermittelt: „Du, die Blonde neben uns, die da oben ohne lag, die hatte gemachte Brüste, oder?“

Um ehrlich zu sein, hatte ich darüber auch nachgedacht. Aber vielleicht ist das eine Fangfrage, um zu überprüfen, ob ich sonnenbadende Nudistinnen begaffe. Das würde ein schlechtes Licht auf mich als Ehemann werfen und könnte mir als darüber hinaus als antifeministisch ausgelegt werden. Von wegen Reduktion der Frau auf ihren Körper und so.

Daher sollte ich vielleicht antworten: „Da lag eine Frau oben ohne? Ist mir gar nicht aufgefallen.“

Das wäre allerdings sehr unglaubwürdig. Die Brüste waren sehr groß. Unübersehbar groß. Und sahen sehr gemacht aus. Wenn sie auf dem Rücken lag, ragten sie in die Höhe wie zwei Miniatur-Reichstagskuppeln in gar nicht so kleinem Maßstab.

Erwidere stattdessen: „Keine Ahnung, so genau habe ich nicht geschaut.“ Mein Angebot, zurückzugehen, um den Busen der Dame einer genaueren Inspektion zu unterziehen und ihr ein paar Fragen zu stellen, lehnt meine Frau ab.

Bild vom Meer

Heute während des Abendessens keine Selfie-/ Foto-/Videosessions am Strand. Vielleicht haben die Influencer*innen heute frei. Schade, müssen wir uns wohl unterhalten.


Bilanz des Tages

  • 35 Kilometer gelaufen
  • 40.166 Schritte zurückgelegt
  • 8-mal auf Toilette
  • 43,07 Euro im Supermarkt ausgegeben
  • 2 Brüste gesehen
  • 6 Kniffel (4 davon meine Frau)

¡Hola España! – Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond

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Morgendliches Kaffee-Keks-Meerblick Ritual. In der Pinie vor dem Balkon sitzt eine Schwalbe. Das weiß ich, weil ich vor ein paar Tagen meine Frau gefragt habe: „Was ist das für ein Baum?“ und sie gesagt hat: „Das ist eine Pinie.“ Und dann habe ich sie gefragt: „Was ist das für ein Vogel?“, woraufhin sie sagte: „Das ist eine Schwalbe.“

Die Schwalbe macht merkwürdige, keckernde Geräusche. Klingt fast wie das Smoke-Monster bei Lost. Das ist bei der Balz sicherlich nicht besonders hilfreich, wenn du dich wie eine Rauch-Kreatur anhörst, die alles tötet, was ihr zu nahekommt.

Vielleicht keckert da aber auch ein Schwalben-Weibchen und signalisiert ihren männlichen Artgenossen: „Verpisst euch oder ich mache euch kalt.“

Titelbild mit der Statue einer sitzenden Frau, die zwischen den Knien etwas hält, das wie eine Flak aussieht. Oder eine T-Shirt-Kanone
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¡Hola España! – Tag 06 (13.09.): Mein Name ist nicht Bond (Teil 2)

Teil 1


Links von uns liegt eine vierköpfige Familie aus England. (Dies weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit, denn sie reden Englisch) Aus der schwarzen Badeshorts des Vaters hängt hinten das Etikett raus. Normalerweise verspüre ich bei so etwas den starken Drang, den Zettel in die Hose zu stecken. Da der Rücken des Mannes aber sehr, sehr stark behaart ist – eine Mischung aus Braunbär und Flokati-Teppich – hält sich mein Bedürfnis diesmal in Grenzen.

Der ältere Sohn der Familie ist schätzungsweise Anfang zwanzig und geistig leicht behindert. Er sitzt mit verschränkten Armen auf einem Klappstuhl unter einem Sonnenschirm und schaut aufs Meer. Manchmal pfeift er eine der Tauben an, die hier über den Strand trippeln, ab und an isst er ein paar Chips. Jedes Mal, wenn sein Papa im Wasser von einer Welle überrascht wird, kichert er glucksend. Ich glaube, er hat einen guten Tag.

In der Ferne jagt eine Gruppe von fünf, sechs Jetski-Fahrern übers Meer. Bestimmt fühlt sich mindestens einer von ihnen dabei wie James Bond. Bei mir wäre das auf jeden Fall so. Allerdings würde ich mich nicht trauen, Jetski zu fahren. (Stichworte: schnelles Gefährt, Wasser, draußen auf dem Meer) Das disqualifiziert mich wohl als James Bond. (Selbst als eingebildeter James Bond.)

Wahrscheinlich ist das auch besser so. So ein Leben als Geheimagent stelle ich mir sehr stressig vor. Verfolgungsjagden, Bomben entschärfen, auf Leben und Tod kämpfen, immer wieder die Welt retten müssen. Kein Wunder, dass die Bond-Darsteller nach ein paar Filmen ausgewechselt werden müssen. (Ich tippe auf Burn-out.)

Die Bond-Girls sind auf Dauer bestimmt auch anstrengend. Die machen nicht den Eindruck, als könnte man mit ihnen gemütlich auf dem Sofa abhängen und Netflix schauen.

Hatte heute meinen fast perfekten Strandtag: Tücher ausbreiten, dösen, schreiben, überlegen, etwas zu trinken, dösen, lesen, noch mal überlegen, etwas zu trinken, über etwas nachdenken, vergessen, worüber man nachgedacht hat, schreiben, ein Foto vom Meer machen, dösen, schreiben, tatsächlich einen Schluck trinken, dösen, lesen, dösen, einpacken, nach Hause gehen. Nur die Badetücher vorm Meer retten zu müssen, gibt leichte Abzüge.

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Der Influencer-Foto-Hotspot ist zur Abendessenzeit nur spärlich frequentiert. Lediglich die Frau mit dem sehr langen schwarzen Haar ist wieder da. Sie hockt am Wasser und fotografiert die heranziehenden Wellen. Vielleicht ist die heutige Aufgabe in der Influencer-Academy „Natur“. Oder sie sollen Selfies aus sehr unvorteilhaften Winkeln von unten schießen.

Im Hintergrund trainiert der Leg-Day-Typ von gestern und hüpft wieder breitbeinig über den Strand. Wenn der das jeden Abend macht, muss er erstmal 1.000 Sprünge machen, bevor er etwas in den Beinen merkt.

Später kommen zwei Jungs, so um die 18, 19 und fotografieren sich gegenseitig. „Schön, dass das für alle Gender offen ist”, meint meine Frau, so wie sich das gehört, wenn du im Familienministerium arbeitest. Ob sie damit richtig liegt, weiß ich allerdings nicht. Zwei Jungs unter gefühlt 800 Frauen, die hier in den letzten Tagen ihre Selfies geschossen haben, würde ich jetzt nicht direkt als „offen für alle Gender“ bezeichnen.

Die beiden gehen wesentlich forscher als die bisherigen Selfie-Fotografinnen vor. Ein, zwei Posen – verschränkte Arme und kühner Blick nach oben oder einen Arm schräg in die Höhe gestreckt, wie sie sich das bei irgendwelchen Alpha-Male-Trotteln im Internet abgeschaut haben – und fertig ist die Laube. Ob das fürs Examen in der Influencer-Academy reicht?

Meerblick bei Nacht (ohne Fledermäuse)

Als die Dämmerung einsetzt, erscheinen ein paar Fledermäuse in der Apartmentanlage, auf der Suche nach einem kleinen Abendsnack. Eigentlich faszinierend, wie sie im Zickzack-Kurs durch die Lüfte düsen. Kürzlich ist einer ihrer Kollegen allerdings in Moabit zu uns in die Wohnung geflogen. Das hat mich eine Menge Nerven und circa zwei Liter Schweiß gekostet und seitdem stehe ich den kleinen Batmännern skeptisch gegenüber.

Ich hoffe, die spanischen Fledermäuse bleiben in ihrem Tanzbereich, so wie wir in unserem. Ich werde auf jeden Fall nicht durch die Luft jagen und den Fledermäusen die Insekten wegsnacken.


Bilanz des Tages

  • 10,04 Kilometer gelaufen
  • 17 Fotos gemacht
  • 14.282 Schritte zurückgelegt
  • 3-mal die Badetücher vor den Wellen gerettet
  • 31,51 Euro im Supermarkt ausgegeben
  • 1 Kniffel geworfen

¡Hola España! – Tag 05 (12.09.): Vom Winde gemobbt

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

Stehe auf dem Balkon, widerwillig eine Banane essend. Bananen zählen ohnehin nicht zu meinem Lieblingsobst – Stichwort eklige Fäden –, aber dieses Exemplar erregt mein Missfallen in besonderem Maße. Einerseits süß, aber anderseits trotzdem von der festen Konsistenz einer unreifen Banane, was das haptische Verzehrerlebnis erheblich einschränkt. (Sollten Sie mal erklären müssen, was ein First-World-Problem ist, können Sie gerne auf dieses Beispiel zurückgreifen.)

Aus Vernunftgründen drücke ich mir die Banane trotzdem rein. Heute stehen Drei-Kilometer-Intervallläufe auf dem Trainingsplan. Da möchte ich vermeiden, dass der Mitten-im-dritten-Intervall-Christian schwächelt und das Bedürfnis verspürt, den Vor-Trainingslauf-Christian mit der Schale der nicht gegessenen Banane zu ohrfeigen. (Der Vor-Trainingslauf. Christian ist ein sehr harmoniesüchtiger Mensch und umso mehr, wenn er das Objekt einer körperlichen Züchtigung mittels einer Obstschale werden könnte.)

Bevor ich meinen Lauf starte, trinke ich erst noch einen Kaffee. (Der Vor-Trainingslauf-Christian ist nicht nur harmonie-, sondern auch Koffein süchtig. Das gilt allerdings für alle Christians.)

Titelbild mit Blick aufs Meer, der Himmel ist von dunklen Wolken verhangen
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