Cassis 2022 – Tag 05 (13.07.): Ein Tag ohne Routinen. Fast wie im Urlaub. (Teil 2)

Teil 1


In den letzten beiden Tagen war unser Hunger größer, als der vorgestrige Großeinkauf groß war. Der Kühlschrank ist nahezu leer und die Wasservorräte gehen zuneige. Wir müssen zum Supermarkt.

Diesmal konzentrieren wir uns tatsächlich auf die allernötigsten Grundnahrungsmittel. Das klappt recht gut. Wir brauchen ja keine neue Literflasche Aperol. (Für wie versoffen halten Sie uns eigentlich?) Außerdem haben wir Chips und Kekse als allernötigste Grundnahrungsmittel deklariert. Und Brioches. Das ist möglicherweise die Ursache, warum unser Wagen am Ende des Einkaufes nicht viel leerer ist als beim letzten Mal.

Vor uns hat sich eine niederländische Familie in die Schlage eingereiht. Ihr Wagen ist noch voller als unserer. (Respekt!) Sehr langsam und unkonzentriert packen sie ihre Waren auf das Kassenband. Mich macht das nervös. Gut, ich habe keinen Zeitdruck oder irgendwelche Anschlusstermine. Trotzdem möchte ich meinen Urlaub nicht unnötig lange in einer Supermarktschlange verbringen.

Noch mehr als das langsame Tempo irritiert mich, dass die Niederländer ihre Sachen vollkommen planlos auf das Band legen. Kreuz und quer. Ohne Sinn und Verstand. Ich bin kurz davor, mich vorbeizudrängeln, um ihren Wagen aus- und ihre Einkaufstüten einzuräumen. Was das angeht, bin ich ganz Deutscher: Das Kassenband muss mit System und Ordnung bestückt werden. Die schweren Sachen zuerst, dann die weichen und zum Schluss die zerbrechlichen. Und genauso muss das in die Einkaufstaschen wandern. Alles andere ist Unfug, Unsinn und Unvernunft.

Das Arbeitstempo der Kassiererin ist auch nicht gerade rekordverdächtig. Aus Deutschland bist du es gewohnt, dass die Kassierer*innen die Waren so schnell über den Scanner ziehen, dass du kaum hinterherkommst, sie wegzupacken. Die französischen Kolleginnen sind da wesentlich gemütlicher. Sie scannen die Produkte mit Gemach, kontrollieren regelmäßig auf dem kleinen Monitor, ob ihnen kein Fehler unterlaufen ist, und sind einem kleinen Schwätzchen nicht abgeneigt. Nicht mit den Kund*innen, sondern mit den Kassierer*innen links und rechts von ihnen.

Meine Tochter würde sagen: „Das ist ein You-Problem. Ist doch toll, wenn sich die Kassierer*innen nicht den Ausbeutungsmechanismen der kapitalistischen Lohnsklaverei unterwerfen.“ (Oder so etwas ähnliches.) Damit hat sie recht. Ein bisschen Entschleunigung hat ja etwas Gutes. Besonders im Urlaub ist das sehr erholsam.

Als wir an der Reihe sind, übernehmen die Kinder das Ausräumen der Waren aus unserem Wagen, meine Frau und ich verstauen diese in unseren Rucksäcken und Taschen. Ab und an werfe ich der Tochter und dem Sohn einen scharfen Blick zu, wenn sie mein striktes Wie-Lebensmittel-auf-das-Kassenband zu-legen-sind-Dogma missachten (Schwer → weich → zerbrechlich. Merken Sie sich das. Falls Sie an der Kasse mal vor mir stehen.)

Nach geraumer Zeit ist alles eingescannt. Der Betrag auf dem Kassendisplay ist wieder dreistellig. Vielleicht ist das langsame Tempo der Kassiererinnen doch nicht so schlecht. Dann dauert es länger, bis du erfährst, wieviel du bezahlen musst. Das ist auch sehr erholsam.

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Inzwischen ist es bereits 14.30 Uhr. Wir beschließen, nicht wie sonst an den Strand zu gehen, sondern ein bisschen durch das Städtchen zu flanieren. Nachdem ich heute schon eine andere Strecke gelaufen bin und bei einem anderen Bäcker war, brechen wir also mit einer weiteren Routine. Komme mir vor wie ein Hippie, der jegliche Strukturen und Regeln ablehnt und ziel- und planlos in den Tag lebt. (Andere Menschen nennen das Urlaub.)

„Durchs Städtchen flanieren“ ist keine tagesfüllende Beschäftigung, nicht einmal eine nachmittagfüllende, denn Cassis ist nicht sonderlich groß. Am Ende des Hafens gehen wir durch eine kleine Gasse. Nach einem kurzen Fußweg kommen wir an einem alten Haus vorbei.

Vielleicht ist das das Rathaus aus dem 16. Jahrhundert mit der alten Treppe. Oder eine der anderen Sehenswürdigkeiten, von denen ich im Internet gelesen hatte. Keine Ahnung. Das passiert mir häufig. Ich lese etwas und vergesse es direkt wieder. Manchmal während des Lesens.

Zumindest kann ich ausschließen, dass es sich bei dem Gebäude um den alten Gemeindebackofen handelt. Außer der ging über zwei Etagen und hatte eine große Flügeltür als Klappe.

Ein Schild am Straßenrand weist den Weg zu dem anderen Strand in Cassis. Den können wir uns ja mal anschauen. (Hoffentlich bekommt das unser Stamm-Strand nicht mit und ist beleidigt.) Die Straße zum Strand geht steil bergab, verfügt nur über einen sehr schmalen Gehweg und ist sehr kurvenreich.

Wem die Kurven nichts ausmachen, sind die vielen Motorroller-Fahrer. Die fahren in halsbrecherischem Tempo die Straße hinunter. Dabei schneiden sie an den unübersichtlichsten Stellen die Kurven, als hätten sie neun Leben. Oder einen Termin bei Gott.

Einer fährt sogar auf dem Hinterrad den Berg hoch. Ich glaube, er will der Tochter imponieren. Die ist maximal unimponiert.

Der Sohn findet die Rollerfahrer cool. Er würde auch gerne einen Moped-Führerschein machen. Hoffentlich vergisst er das, bis wir wieder in Berlin sind. Dann müssen wir es ihm nicht verbieten. Beziehungsweise – pädagogisch wertvoll – argumentativ davon überzeugen, dass das keine gute Idee ist.

Der andere Strand ist etwas kleiner und dadurch etwas voller. Und die Besucher*innen etwas jünger. Eher so Spät-Millennials und Früh-Generation-Zer. Da würde ich nur unangenehm auffallen. Außerdem ist der Weg viel zu lang. Wir werden also bei unserem Stamm-Strand bleiben. (Der Stamm-Strand wischt sich unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel.)

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Neues Kniffelspiel, neuer Kniffelsieg. Für mich zumindest. Und nicht nur ein Sieg, sondern ein Triumph. Ich werfe drei Kniffel und komme auf 479 Punkte. Weil ich einen 1er-Kniffel beim Dreier- und einen 2er-Kinffel beim Vierer-Pasch eintragen muss, sind es nicht noch mehr Punkte. Das Bedauern der anderen hält sich in Grenzen.

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Vollmond über Cassis

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