Inzwischen ist es kurz nach halb vier. Nicht mehr lange, bis wir in Frankfurt sind. Die automatisierte Lautsprecherdurchsage verkündet: „Wir sind gleich da.“ Dann schiebt sie leicht passiv-aggressiv nach: „Sicher nichts am Platz liegen gelassen? Ein letzter Blick kann nicht schaden.“
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In Frankfurt kommen wir mit einer knappen Viertelstunde Verspätung an. Unter normalen Umständen würden wir jetzt unseren Anschlusszug verpassen. Die Umstände sind aber tatsächlich normal und er hat ebenfalls fünfzehn Minuten zu spät. Er fährt auf den gleichen Schienen hinter unserem TGV her. Dadurch ist das Umsteigen vollkommen entspannt.
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Im ICE nach Berlin sitzt auf dem 4er-Platz neben unserem ein junger Mann. Er schaut auf seinem Laptop einen Film. Plötzlich steht ein älterer Herr auf, der in der Reihe dahinter sitzt, tritt in den Gang und fragt: „Ist das Taxi Teheran?“ Der junge Mann bejaht das.
Daraufhin startet der Senior einen längeren Vortrag darüber, wie phantastisch der Film sei, was für eine famose schauspielerische Leistung Hana Saeidi abgeliefert hätte, dass der Regisseur Jafar Panahi 2015 auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet worden sei – zu Recht wie der ältere Mann betont – und dass er nun leider im Iran im Gefängnis säße.
Der junge Mann nickt zunächst immer wieder höflich. Mit zunehmender Dauer des cineastischen Spontanreferats schaut er allerdings immer gequälter. Wahrscheinlich würde er sich gerne selbst einen Eindruck davon machen, wie phantastisch der Film ist, welch famose schauspielerische Leistung die Hana Saeidi abgeliefert hat und Jafar Panahi tatsächlich zu Recht den Goldenen Bären bekommen hat.
Sachen, die wir während des Urlaubs nicht gemacht haben
- in dem kleinen Bistro am Hafen frühstücken (keine Zeit mehr gehabt)
- Qwirkel spielen (keine Lust gehabt (außer meiner Frau))
- zu der alten Burg gehen, die nicht besichtigt werden kann, weil dort Luxus-Ferienwohnung sind (aufgeschoben, dann keine Zeit mehr gehabt, außerdem sehr steil)
- ein Foto von der engen Gasse zwischen dem Restaurant und der Boutique im Hafen machen (zu viele Leute)
- eine kleine Tasse in dem Laden mit dem nutzlosen, aber hübschen Nippes kaufen (wir haben bereits unzählige Tassen und ich habe Angst, dass der Hängewandschrank, in dem wir sie aufbewahren, bald runter fällt)
- herausfinden, ob die Bürgermeisterin von Cassis einer rechten Partei angehört (zu faul, mir die französischen Artikel übersetzen zu lassen)
- zu der Bucht in den Calanque wandern (zu weit, zu heiß, zu steil)
- nach La Ciotat oder Bandol fahren (zu heiß, zu drückend, zu träge)
- einen fetten Sonnenbrand bekommen (weil wir Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 dabei hatten und uns ordentlich eingecremt haben)
- einen neuen Rekord im Beach-Volleyball-Dauerpritschen aufstellen (zu viele Menschen im Wasser, zu wenig Motivation)
- Beach-Tennis gespielt (dito)
- Eis essen (zu teuer)
- Törtchen in der Bäckerei kaufen (zu wenig Vokabeln)
- den Löwen in der „Boulangerie Lion” sehen (keine Ahnung warum)
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Um kurz nach halb neun fährt unser Zug am Berliner Hauptbahnhof ein. Mit dem Bus fahren wir nach Moabit, am Otto-Spielplatz steigen wir aus und gehen den restlichen Weg nach Hause.
Auf einer Bank sitzt ein angetrunkener Obdachloser. Er schaut mich an und lacht. Dann steht er auf und singt aus voller Brust: „Strangers in the night!”
Schön, wieder daheim zu sein.
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Vielen Dank an alle, die tapfer durchgehalten, täglich den Urlaubsblog gelesen und hier oder bei Facebook fleißig kommentiert haben. Und ebenfalls vielen Dank, dass Sie über Orthographie-, Interpunktions- und Grammatikfehler sowie jegliche Ungereimtheiten und Inkonsistenzen großzügig hinweggeschaut haben. (Ist ja alles kostenlos hier.)
Falls Ihnen die Texte gefallen haben, haben Sie vielleicht auch Spaß an einem meiner Bücher. (Oder an allen.) Falls Ihnen die Texte nicht gefallen haben, haben Sie vielleicht Freude daran, meine Bücher an Menschen zu verschenken, die Sie nicht leiden können.
Sollten Ihnen die Texte gefallen haben, aber Sie haben gerade keine zehn Euro zur Verfügung, würde ich mich über ein paar Sterne beim großen A freuen. Wir finden natürlich alle, dass Jeff Bezos doof ist, aber leider sind für uns Autor*innen, die nicht jährlich 4,3 Milliarden Bücher verkaufen, diese Bewertungen leider ziemlich wichtig. Das ist auch gar nicht schwierig, sie zu schreiben und tut auch nicht weh. Ich hatte das auch schon mal ausprobiert.
Merci!
Alle Beiträge des Cassis-Urlaubsblogs finden Sie hier.
- Vorbereitung 1 (06.07.): Was Sie noch nie über Cassis wissen wollten und deshalb nicht zu fragen wagten
- Vorbereitung 2 (07.07.): Auch Nicht-Nicht-Stammfriseurinnen können gut Haare schneiden
- Anreise (08.07.): Nur Amateure erreichen ihre Anschlusszüge sofort
- Tag 01 (09.07.): Sightseeing in Marseilles. Oder: So weit die Füße tragen.
- Tag 02 (10.07.): Der mit der Kaffeemaschine tanzt. Oder sie mit ihm.
- Tag 03 (11.07.): Wer hoch läuft, muss noch höher laufen. Und dann noch höher.
- Tag 04 (12.07.): In der Ferne zirpen die Zikaden. Und in der Nähe. Und einfach überall.
- Tag 05 (13.07.): Ein Tag ohne Routinen. Fast wie im Urlaub.
- Tag 06 (14.07.): Liberté, égalité, fraternité! Oder: Ein Feuerwerk wie ein Drogenrausch
- Tag 07 (15.07.): Tage, an denen du vom Schwitzen schwitzt
- Tag 08 (16.07.): Morning has broken
- Tag 09 (17.07.): Ein Königreich für ein Wasser, Wasser, Wasser
- Tag 10 (18.07.): Je ne parle pas français. Really not.
- Tag 11 (19.07.): Was macht die Taube am Strand?
- Tag 12 (20.07.): Türlich, türlich!
- Tag 13 (21.07.): The boat that rocked
- Tag 14 (22.07.): Ein letztes Mal
- Heimreise (23.07.): Au revoir!
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Super klasse, Sie schreiben einfach toll.
Vielen Dank!
Herzlichen Dank für diese zwei sehr unterhaltsamen Wochen – ich hatte mich schon vorher drauf gefreut und meine Erwartungen wurden absolut erfüllt! Ich liebe Ihren Schreibstil einfach sehr;-)
Das freut mich sehr. Vielen Dank!
Die Reise war super, Aber wann gibt es wieder einmal Camping-Wecke vom Bäcker Hansen Föhr.
Das weiß nur der Urlaubs-Gott.
Vielen lieben Dank für diesen und auch die früheren Urlaubblogs. Ich komme leider selber nie in den Urlaub und freue mich jedes Mal an ihrem Urlaub teilhaben zu dürfen. Cassis war super!Danke
Das freut mich. Also, nicht dass Sie nie Urlaub machen können, sondern dass Ihnen die Beiträge gefallen haben.
Nachdem ich aus meinem eigenen Urlaub zurück kam, war Ihr Urlaubsbericht die ideale Lektüre um die Entspannung weiterhin hoch zu halten. Respekt für die vielen gelaufenen Kilometer in der prallen Sonne und den Berg rauf und runter!