Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.
Balkon, Kaffee, Keks, aufs Meer schauen. Das Laufen ein wenig rauszögern. Das muss auch mal sein. Sonst wirkt man so überehrgeizig, überambitioniert, überdiszipliniert. Und überunsympathisch. Lieber noch ‘nen Kaffee. Und noch ‘nen Keks.
Wenn ich mich nicht täusche, ist heute Sonntag. Falls das stimmt, wäre die Hälfte des Urlaubs rum. Vielleicht schon mehr als die Hälfte. Ich weiß es nicht, ich habe da ein wenig den Überblick verloren.
Bei Halbzeit fängt die Rechnerei an, welche Lebensmittel bis zum Ende des Urlaubs reichen.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Mission „Fake-Trikot-Kauf“. Wie vor ein paar Tagen berichtet, ist der Sohn ein großer Fan nachgemachter Fußball-Trikots. Also liegt es nahe, ihm eins als Mitbringsel zu besorgen, denn die gibt es auf der Strandpromenade Richtung Salou in Hülle und Fülle.
In unserem gestrigen Telefonat deutete er an, er würde sich über ein Real-Madrid-Trikot freuen. Ich selbst bin kein großer Freund des Vereins, er ist mir sogar zutiefst unsympathisch. Wobei man sich als Bayern-München-Fan beim Thema „unsympathische Vereine“ nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte.
Ich gehe davon aus, dass der Sohn nicht das Trikot irgendeines Ersatzspielers möchte, der nie zum Einsatz kommt, sondern von Mbappé. Auch das begeistert mich nur wenig. Nicht weil ich etwas gegen den französischen Stürmer persönlich habe, sondern ich finde diese kultische Verehrung von Fußballern befremdlich. Hier sitze ich ebenfalls Steine schmeißend im Glashaus, glich mein Zimmer früher doch einem Boris-Becker-Tempel und war von oben bis unten mit Postern des Leimener Wimbledonsiegers tapeziert.
An der Promenade sitzen Dutzende Händler*innen. Das Angebot ist strikt gegendert. Die Frauen flechten Bänder in Haare, die Männer verkaufen gefälschte Markenprodukte. Von Trikots über Schuhe, Designer-T-Shirts, Unterwäsche, Uhren, Taschen, Jacken bis hin zu Sonnenbrillen. Ob es wohl Menschen gibt, die denken, sie kaufen hier tatsächlich Originale.
Die Trikotverkäufer haben alle Vereine und Nationalmannschaften im Sortiment, die auch nur ein bisschen populär sind. Ich bin kein Experte, aber die nachgemachten Shirts scheinen eine okaye Qualität zu haben. Wahrscheinlich werden sie von den gleichen Kindern in den gleichen Fabriken zusammengenäht wie die Originale.
Vorher hatte ich mich im offiziellen Real-Shop schlau gemacht, wie die aktuellen Shirts aussehen, um mich zu vergewissern, dass die Fakes zumindest eine gewisse Ähnlichkeit haben. Auf der Real-Website kostet das „authentic“ Heimtrikot 150 Euro, die Version ohne den Zusatz „authentic“ 100 Euro. Was die Frage aufwirft, ob Real seine eigenen Fakes verkauft.
Bei den Promenaden-Händlern kosten die Trikots 25 Euro. Wahrscheinlich könnte ich den Preis noch runterhandeln. Als gutverdienender, weißer Dude habe ich allerdings Skrupel, mit einem schwarzafrikanischen Straßenverkäufer, bei dem ohnehin nur ein winziger Bruchteil der Einnahmen hängenbleibt, um fünf Euro zu feilschen.
Ich bezahle den geforderten Preis und bin froh, den Punkt „Fake-Trikot kaufen“ von der Urlaubs-To-Do-Liste streichen zu können.
Am Strand wählen wir heute einen anderen Platz, etwas weiter links als sonst. Gerade im Urlaub ist es ja wichtig, spontan und flexibel zu sein, auch mal die gewohnten Pfade zu verlassen und neue Erfahrungen zu machen. Warum eigentlich? Fühlt sich irgendwie merkwürdig an.
Neben uns spielt ein Vater ausgiebig Fußball mit seinem ungefähr vierjährigen Sohn. Oder wie meine Frau sagt: „Er tut alles dafür, dass der Kleine heute Abend müde ist.“ Der Plan geht nur so semi auf: Der Vater muss irgendwann eine Pause einlegen, der Junge buddelt daraufhin mit seiner Mama im Sand.
An unserem Liegeplatz spaziert ein Pärchen Hand in Hand vorbei. Der Mann hat ein großes Tattoo auf der unteren Hälfte seines Rückens. Sieht wie ein großes und ein kleines Mammut aus. Aber vielleicht erkenne ich das aus der Ferne nicht richtig, weil die Gläserstärke meiner Sonnenbrille nicht mehr optimal auf meine Augen abgestimmt ist. Oder der Typ ist tatsächlich großer Mammut-Fan. (Wie immer: Nicht super wahrscheinlich, aber auch nicht vollkommen unmöglich.)
Aus der anderen Richtung kommt eine ältere Frau mit strammem Schritt näher. Sie hat kurze, graue Haare, trägt eine große Sonnenbrille, die farblich auf ihren Bikini abgestimmt ist, über ihrer Schulter hängt eine gelbe Stofftasche mit Blumenmuster.
Eine tolle Erscheinung. Sie strahlt Stil, Würde und Charisma aus. Am liebsten würde ich ein Foto von ihr machen. Dazu müsste ich sie aber entweder fragen (weird) oder einfach so knipsen (pervy). Verzichte also darauf.
Life goal
Beim Abendessen wieder zu viel Wind für Strand-Foto-Sessions. Nur eine Frau lässt sich von ihrem Begleiter ablichten, aber ihr Kleid weht fast davon. Da sie auf die Art von Fotos offenbar keinen Bock hat, ziehen die beiden unverrichteter Dinge wieder ab. Null Punkte bei der Influencer Academy.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
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Trete auf den Balkon. Draußen ist es stockdunkel, das Meer rauscht gruselig. Hoffentlich macht hier kein Serienmörder Urlaub. Oder noch schlimmer: Workation. Allerdings ist Wochenende. Da muss er nicht arbeiten. Außer er ist selbstständig und kann sich seine Projekte einteilen, wie er möchte. Dann fängt er aber bestimmt nicht Samstagmorgens um 6 Uhr an. Oder?
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Besuch im Supermarkt. Während wir uns einen Einkaufswagen nehmen, der eigentlich ein großer Einkaufskorb mit Rollen ist, sprüht sich der junge Kassierer mit einem der Parfums im Eingangsbereich ein. Schön, dass er gut riechen möchte. Außerdem duftet es jetzt im Gang sehr erfrischend.
Beim Bezahlen steht ein älteres Ehepaar vor uns an der Kasse. Die Frau fragt den jungen Kassierer auf Deutsch mit starkem russischem Akzent, ob er Deutsch spricht. Tut er nicht und schaut sie fragend an.
So schnell gibt die Frau nicht auf und fragt: „Morgen Sonntag schlafen?“ Dazu legt sie ihre Wange auf ihre Hände, die pantomimisch ein Kissen darstellen sollen.
Das Fragezeichen im Gesicht des jungen Mannes wird noch größer. Ich vermute, sie will wissen, ob morgen am Sonntag geschlossen ist. Ich frage ihn auf Englisch, er antwortet, ab halb neun sei geöffnet, ich gebe diese Information an die ältere Frau weiter.
Die mokiert sich, dass niemand im Ort Deutsch spräche. Daraufhin meint meine Frau: „Wir sind ja auch in Spanien.“
Ein Argument, dass die andere nicht überzeugt. Sie sagt noch einmal: „Aber hier spricht niemand Deutsch.“
Einhorn-Schwimmring für die dunklen Zeiten
Telefonat mit dem Sohn. Meine Frau will wissen, wie es den Blumen geht. „Gut“, antwortet er, zögert aber ein wenig zu lange, um überzeugend rüberzukommen. Ich frage ihn, ob er sie schon länger nicht gesehen habe und sich deswegen nicht sicher sei.
Der Sohn verneint energisch. Er gieße sie jeden Tag und käme sich vor wie ein Gärtner. Zum Glück ist er kein Gärtner. Für ihn und für die Balkonpflanzen. „Voll krass, wie viel Aufmerksamkeit die brauchen“, fährt er fort.
„Das ist wie mit Kindern“, erklärt meine Frau. „Die wollen auch ständig etwas von einem.“
Der Sohn schaut sie entsetzt an. „Dann nehme ich mir später eine Nanny“, sagt der Sohn. Seinem Gesichtsausdruck nach überlegt er gerade, ob es auch Pflanzen-Nannys gibt.
Rest des Nachmittags Strand: Dösen, lesen, dösen, viel ächzen, viel stöhnen. Eigentlich ganz schön. Außer das Ächzen und Stöhnen.
Auf dem Rückweg zur Ferienwohnung sagt meine Frau etwas unvermittelt: „Du, die Blonde neben uns, die da oben ohne lag, die hatte gemachte Brüste, oder?“
Um ehrlich zu sein, hatte ich darüber auch nachgedacht. Aber vielleicht ist das eine Fangfrage, um zu überprüfen, ob ich sonnenbadende Nudistinnen begaffe. Das würde ein schlechtes Licht auf mich als Ehemann werfen und könnte mir als darüber hinaus als antifeministisch ausgelegt werden. Von wegen Reduktion der Frau auf ihren Körper und so.
Daher sollte ich vielleicht antworten: „Da lag eine Frau oben ohne? Ist mir gar nicht aufgefallen.“
Das wäre allerdings sehr unglaubwürdig. Die Brüste waren sehr groß. Unübersehbar groß. Und sahen sehr gemacht aus. Wenn sie auf dem Rücken lag, ragten sie in die Höhe wie zwei Miniatur-Reichstagskuppeln in gar nicht so kleinem Maßstab.
Erwidere stattdessen: „Keine Ahnung, so genau habe ich nicht geschaut.“ Mein Angebot, zurückzugehen, um den Busen der Dame einer genaueren Inspektion zu unterziehen und ihr ein paar Fragen zu stellen, lehnt meine Frau ab.
Bild vom Meer
Heute während des Abendessens keine Selfie-/ Foto-/Videosessions am Strand. Vielleicht haben die Influencer*innen heute frei. Schade, müssen wir uns wohl unterhalten.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
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Morgendliches Kaffee-Keks-Meerblick Ritual. In der Pinie vor dem Balkon sitzt eine Schwalbe. Das weiß ich, weil ich vor ein paar Tagen meine Frau gefragt habe: „Was ist das für ein Baum?“ und sie gesagt hat: „Das ist eine Pinie.“ Und dann habe ich sie gefragt: „Was ist das für ein Vogel?“, woraufhin sie sagte: „Das ist eine Schwalbe.“
Die Schwalbe macht merkwürdige, keckernde Geräusche. Klingt fast wie das Smoke-Monster bei Lost. Das ist bei der Balz sicherlich nicht besonders hilfreich, wenn du dich wie eine Rauch-Kreatur anhörst, die alles tötet, was ihr zu nahekommt.
Vielleicht keckert da aber auch ein Schwalben-Weibchen und signalisiert ihren männlichen Artgenossen: „Verpisst euch oder ich mache euch kalt.“
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Links von uns liegt eine vierköpfige Familie aus England. (Dies weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit, denn sie reden Englisch) Aus der schwarzen Badeshorts des Vaters hängt hinten das Etikett raus. Normalerweise verspüre ich bei so etwas den starken Drang, den Zettel in die Hose zu stecken. Da der Rücken des Mannes aber sehr, sehr stark behaart ist – eine Mischung aus Braunbär und Flokati-Teppich – hält sich mein Bedürfnis diesmal in Grenzen.
Der ältere Sohn der Familie ist schätzungsweise Anfang zwanzig und geistig leicht behindert. Er sitzt mit verschränkten Armen auf einem Klappstuhl unter einem Sonnenschirm und schaut aufs Meer. Manchmal pfeift er eine der Tauben an, die hier über den Strand trippeln, ab und an isst er ein paar Chips. Jedes Mal, wenn sein Papa im Wasser von einer Welle überrascht wird, kichert er glucksend. Ich glaube, er hat einen guten Tag.
In der Ferne jagt eine Gruppe von fünf, sechs Jetski-Fahrern übers Meer. Bestimmt fühlt sich mindestens einer von ihnen dabei wie James Bond. Bei mir wäre das auf jeden Fall so. Allerdings würde ich mich nicht trauen, Jetski zu fahren. (Stichworte: schnelles Gefährt, Wasser, draußen auf dem Meer) Das disqualifiziert mich wohl als James Bond. (Selbst als eingebildeter James Bond.)
Wahrscheinlich ist das auch besser so. So ein Leben als Geheimagent stelle ich mir sehr stressig vor. Verfolgungsjagden, Bomben entschärfen, auf Leben und Tod kämpfen, immer wieder die Welt retten müssen. Kein Wunder, dass die Bond-Darsteller nach ein paar Filmen ausgewechselt werden müssen. (Ich tippe auf Burn-out.)
Die Bond-Girls sind auf Dauer bestimmt auch anstrengend. Die machen nicht den Eindruck, als könnte man mit ihnen gemütlich auf dem Sofa abhängen und Netflix schauen.
Hatte heute meinen fast perfekten Strandtag: Tücher ausbreiten, dösen, schreiben, überlegen, etwas zu trinken, dösen, lesen, noch mal überlegen, etwas zu trinken, über etwas nachdenken, vergessen, worüber man nachgedacht hat, schreiben, ein Foto vom Meer machen, dösen, schreiben, tatsächlich einen Schluck trinken, dösen, lesen, dösen, einpacken, nach Hause gehen. Nur die Badetücher vorm Meer retten zu müssen, gibt leichte Abzüge.
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Der Influencer-Foto-Hotspot ist zur Abendessenzeit nur spärlich frequentiert. Lediglich die Frau mit dem sehr langen schwarzen Haar ist wieder da. Sie hockt am Wasser und fotografiert die heranziehenden Wellen. Vielleicht ist die heutige Aufgabe in der Influencer-Academy „Natur“. Oder sie sollen Selfies aus sehr unvorteilhaften Winkeln von unten schießen.
Im Hintergrund trainiert der Leg-Day-Typ von gestern und hüpft wieder breitbeinig über den Strand. Wenn der das jeden Abend macht, muss er erstmal 1.000 Sprünge machen, bevor er etwas in den Beinen merkt.
Später kommen zwei Jungs, so um die 18, 19 und fotografieren sich gegenseitig. „Schön, dass das für alle Gender offen ist”, meint meine Frau, so wie sich das gehört, wenn du im Familienministerium arbeitest. Ob sie damit richtig liegt, weiß ich allerdings nicht. Zwei Jungs unter gefühlt 800 Frauen, die hier in den letzten Tagen ihre Selfies geschossen haben, würde ich jetzt nicht direkt als „offen für alle Gender“ bezeichnen.
Die beiden gehen wesentlich forscher als die bisherigen Selfie-Fotografinnen vor. Ein, zwei Posen – verschränkte Arme und kühner Blick nach oben oder einen Arm schräg in die Höhe gestreckt, wie sie sich das bei irgendwelchen Alpha-Male-Trotteln im Internet abgeschaut haben – und fertig ist die Laube. Ob das fürs Examen in der Influencer-Academy reicht?
Meerblick bei Nacht (ohne Fledermäuse)
Als die Dämmerung einsetzt, erscheinen ein paar Fledermäuse in der Apartmentanlage, auf der Suche nach einem kleinen Abendsnack. Eigentlich faszinierend, wie sie im Zickzack-Kurs durch die Lüfte düsen. Kürzlich ist einer ihrer Kollegen allerdings in Moabit zu uns in die Wohnung geflogen. Das hat mich eine Menge Nerven und circa zwei Liter Schweiß gekostet und seitdem stehe ich den kleinen Batmännern skeptisch gegenüber.
Ich hoffe, die spanischen Fledermäuse bleiben in ihrem Tanzbereich, so wie wir in unserem. Ich werde auf jeden Fall nicht durch die Luft jagen und den Fledermäusen die Insekten wegsnacken.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
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Stehe auf dem Balkon, widerwillig eine Banane essend. Bananen zählen ohnehin nicht zu meinem Lieblingsobst – Stichwort eklige Fäden –, aber dieses Exemplar erregt mein Missfallen in besonderem Maße. Einerseits süß, aber anderseits trotzdem von der festen Konsistenz einer unreifen Banane, was das haptische Verzehrerlebnis erheblich einschränkt. (Sollten Sie mal erklären müssen, was ein First-World-Problem ist, können Sie gerne auf dieses Beispiel zurückgreifen.)
Aus Vernunftgründen drücke ich mir die Banane trotzdem rein. Heute stehen Drei-Kilometer-Intervallläufe auf dem Trainingsplan. Da möchte ich vermeiden, dass der Mitten-im-dritten-Intervall-Christian schwächelt und das Bedürfnis verspürt, den Vor-Trainingslauf-Christian mit der Schale der nicht gegessenen Banane zu ohrfeigen. (Der Vor-Trainingslauf. Christian ist ein sehr harmoniesüchtiger Mensch und umso mehr, wenn er das Objekt einer körperlichen Züchtigung mittels einer Obstschale werden könnte.)
Bevor ich meinen Lauf starte, trinke ich erst noch einen Kaffee. (Der Vor-Trainingslauf-Christian ist nicht nur harmonie-, sondern auch Koffein süchtig. Das gilt allerdings für alle Christians.)
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Das Strandtag ist heute kein Vergnügen. Der Sand wird gegen Beine, Arme und Gesicht geschleudert, was recht schmerzhaft ist. Oder wie meine Frau sagt, die positiv denkt und Wellness affiner ist: „Da bekommen wir ein schönes Peeling.“
Merkwürdigerweise kommt der Sand aus allen Richtungen angeflogen. Von links, von rechts, von oben und von unten. Wahrscheinlich eine Variante des Christian-Phänomens.
Bestimmt haben sich in der Frühe der Nord-, der Süd-, der West- und der Ostwind zusammengesetzt und beschlossen: „Heute piesacken wir den Christian mal so richtig!“ „Genau, beim Laufen, da geben wir ihm ordentlich Gegenwind.“ „Ja, auf dem Hin- und dem Rückweg.“ „Später beschießen wir ihn am Strand volle Granate mit Sand, damit der in allen Körperöffnungen landet.“ „Super Idee, davon hat er bis zum Ende des Urlaubs etwas und noch darüber hinaus.“
Dann haben sich die vier Winde auf die Schenkel geklopft und gelacht, aber nicht sympathisch, sondern hämisch, denn sie sind ganz fiese Mobber.
Maximale Stranderotik
Ich habe nicht nur unter dem herumfliegenden Sand zu leiden. Obendrein tut meine Nase weh. Nicht weil ich sie mir gestoßen habe oder ich drauf gefallen bin oder zu viel Sand reingeflogen ist. Nein, weil sich darin ein dicker Pickel gebildet hat. Links im linken Nasenloch. Da, wo du nicht gut rankommst. Und wenn du es trotzdem versuchst, siehst du aus wie ein ungehobelter Klotz, der vollkommen schamlos und derbe in der Nase bohrt. Und das möchte man ja nicht: Wie jemand aussehen, der vollkommen schamlos und derbe in der Nase bohrt.
Derweil prasselt der Sand weiter von allen Seiten auf uns nieder. Außerdem zerren die Böen an meinen Klamotten, als wollten sie sie mir vom Leib reißen. Und wenn ich dann nackert daliege, lachen der Süd-, der Nord-, der West- und der Ostwind schadenfroh und zeigen mit dem Finger auf mich.
Eigentlich wäre es besser, den Strandbesuch abzubrechen. Aber meine Trägheit, den Rückweg in die Ferienwohnung anzutreten, ist größer als der Schmerz des peitschenden Sandes. Ich versuche. die widrigen Bedingungen zu ignorieren, schließe die Augen und dämmere vor mich hin.
Die Ignoriererei und Dämmerei klappt so lange, bis mich plötzlich ein Schlag trifft. Ein umherfliegender Klappstuhl ist auf mir gelandet. (Vor meinem geistigen Auge feiern die Winde und klatschen sich ab.)
Circa fünfzehn Meter rechts von uns sitzt ein alter Mann auf einem Klappstuhl der gleichen Marke und hebt entschuldigend die Hände. Er erhebt sich und kommt zu mir rüber. Da er sehr alt ist, dauert das sehr lange. Ich bezweifle, dass er bis zum Ende unseres Urlaubs bei mir ankommt und gehe ihm entgegen, um ihm seinen Stuhl zurückzugeben.
Der Mann entschuldigt sich auf Französisch: „Pardon, pardon, excuse moi.“ Sein Französisch klingt aber nicht wie von einem Franzosen, sondern wie von einem Engländer. (Ich bin mir zu 99 Prozent sicher.) Ich erwidere „Null problemo“, was weder Französisch noch Englisch ist. Nicht einmal Spanisch, sondern Melmacisch.
Wir deuten den umherfliegenden Stuhl als Signal, nach Hause zu gehen. Wir und zehn Tonnen Sand in unseren Klamotten, Haaren, Handtüchern und der Strandtasche.
Der Abendhimmel über dem Strand
Trotz des stürmischen Wetters bekommen wir beim Abendessen wieder eine Strand-Fotosession geboten. Eine Frau mit sehr kurzem weißem Kleid und sehr langen schwarzen Haaren – das Ende des Kleids und das Ende der Haare treffen sich knapp unterhalb ihres Pos – nimmt verschiedene Selfieposen ein.
Allerdings verdeckt sie dabei größtenteils eine Palme. Das ist sehr ärgerlich, weil ich dadurch ihren Auftritt nur sehr schlecht sehe. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen ist meine Frau nicht bereit, runter an den Strand zu gehen, um das Selfie-Model zu bitten, ihr Shooting fünfzehn Meter nach rechts zu verlagern, damit ich sie besser beobachten kann. Manchmal habe ich den Verdacht, meine Frau hat das mit dem „in guten wie in schlechten Zeiten“ gar nicht ernst gemeint.
Später kommen drei weitere Frauenduos zum Strand, um sich gegenseitig zu fotografieren und zu filmen. Außerdem nimmt ein Typ seinen Leg Day sehr ernst und hüpft in tiefen Froschsprüngen über den Sand.
Würden wir hier wohnen, bräuchten wir kein Netflix und hätten trotzdem immer etwas zu schauen. Toll.
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Während ich langsam aufwache, verflüchtigt sich wie gestern schon die Erinnerung an einen Traum, den ich nicht festhalten kann. Boris Becker taucht erneut nicht auf.
Starte den Tag mit meinem liebgewonnenen Kaffee-auf-dem-Balkon-trinken-und-aufs-Meer-schauen-Ritual. Heute bei Wind und morgendlich kühlen Temperaturen. Die ersten Jogger*innen laufen auf der Promenade, der Strand ist noch verwaist.
Laut Trainingsplan muss ich heute nur lockere zehn Kilometer absolvieren. (Geht doch, Trainingsplan-Ersteller-Christian.) Das ist ganz schön, weil nicht so weit und nicht so anstrengend. Gleichzeitig fehlt mir die Motivation, mich aufzuraffen, weil nicht so weit und nicht so anstrengend.
Da kannst du dir mit der Aufrafferei ein wenig Zeit lassen und der Kaffee will ja auch vorher getrunken werden, und einer von den Keksen gegessen werden, die so trocken sind, dass du einen weiteren Kaffee benötigst, um sie runterzuspülen. (Dafür haben sie kleine Schokostückchen. Immer das Positive sehen.)
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Vielleicht wohnen nur wenige Katalanen in Cambrils und bei den vielen ausländischen oder den nicht-katalanischen spanischen Touristen lohnt sich das mit der Nationalfeiertagsfeierei nicht.
Cambrils ist trotzdem ganz schön. Gastronomie und Einzelhandel sind zwar stark auf Tourismus ausgerichtet, aber nicht aggressiv und marktschreierisch, sondern einigermaßen dezent und zurückhaltend. Die Häuser und Hotels sind niedriger als in Salou und es gibt einen schönen Platz, an dem eine große Kirche steht und daneben das Theater, wo das Katzen-Pistolen-Stück aufgeführt wird.
Ich denke, das war nicht unser letzter Besuch in Cambrils. Schließlich müssen wir irgendwo unsere obligatorischen Urlaubsort-Kühlschrankmagneten kaufen. Und der rote Keramikstier, den wir in einem Laden gesehen haben, würde sich gut in unserer Küche machen. Selbstverständlich ironisch.
Nach knapp einer Woche Urlaub bin ich mir sicher, unter allen Tourist*innen mit 90-prozentiger Treffsicherheit die englischen Urlauber*innen erkennen zu können, ohne dass ich sie reden höre. Das liegt nicht an Hardcore-Sonnenbränden und/oder übermäßigem Alkoholkonsum, sondern an Physiognomie, Frisuren und Habitus. (Und manchmal an leichten Sonnenbränden.)
Keine Ahnung, was ich mit dieser Fähigkeit anfangen soll. Mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit Engländer*innen zu identifizieren, scheint mir keine übermäßig hilfreiche Superheldenkraft zu sein. Außer du willst dich von Engländer*innen fernhalten. Dann ist das super. In Irland wäre ich der beliebteste Superheld aller Zeiten.
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Am Strand. Der Wind windet heute stärker als in den letzten Tagen. Das Wellenrauschen ist auch nicht ganz so einlullend wie sonst, sondern etwas energischer. Als riefe das Meer: „Ich kann auch anders.“
Aber noch nicht so doll wie nachts. Da klingen die Wellen etwas bedrohlich, fast schon zornig. Weil das Meer kein Wutkissen zum Hineinbrüllen hat, schreit es seine Aggressionen in die Dunkelheit, um sein inneres Mordor im Zaum zu halten.
In der Ferne ist ein Kind zu hören. Diesmal kein hysterisches Kreischen, sondern ein fröhliches Glucksen und Kichern. Die pure Freude, wenn du Papa nass gespritzt hast. Oder wenn Mama hinter dir herrennt, als wäre sie ein Monster, das dich gleich auffrisst. Oder wenn der Bruder oder die Schwester einen Ball an den Kopf bekommt.
Heute bedaure ich, dass die Tochter und der Sohn nicht mehr so klein sind und diese kindliche Freude nicht mehr haben. Wobei sie sich immer noch kaputtlachen würden, wenn der oder die andere einen Ball an den Kopf bekommt. (Noch mehr bei ihren Eltern.)
Meer
Denke mir, während ich am Strand liege, merkwürdige Worte aus:
Fußpilzragout
Affentheaterregisseur
Taschenlampenschirm
Rosinenbomberjacke
Wäscheklammeraffe
Flaschenpostschalter
Bankautomatenkaffee
Sonnencrème brûlée
Klorolle rückwärts
Keine Ahnung, für was das mal nützlich sein wird. Wahrscheinlich für nichts.
Abendmahl, nicht das letzte
Zu meiner leichten Enttäuschung sind während des Abendessens keine Fotosessions am Meer zu beobachten. Erst als wir abräumen, erscheinen zwei Frauen am Strand. Schätzungsweise Anfang 60, mit ergrauten Haaren und schwarzen, wallenden Gewändern. Sie fotografieren und filmen sich gegenseitig, wie sie mit gelupften Röcken an der Wasserlinie entlanglaufen.
Nach etlichen Versuchen sind sie mit dem Ergebnis zufrieden, zum Abschluss machen sie mit Selbstauslöser ein Foto zu zweit. Anschließend verlassen sie den Strand kichernd und gickelnd wie Teenagerinnen. Ob die Influencer-Academy auch Senior*innen-Kurse anbietet?
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