Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
21. Oktober 2024, Berlin
Neues Wand-Graffiti in der Waldenser Straße bei uns um die Ecke: „Ich ficke hässliche Frauen.“
Was will der Verfasser uns damit sagen? Möchte er seine früheren Sexualpartner innen beleidigen? Oder sich selbst, weil er nur hässliche Frauen abbekommt? Oder ist das ein Angebot? „Hey, wenn ihr euch hässlich fühlst, meldet euch. Ich bumse jede.“
Jemand hat den Spruch durchgestrichen und daneben geschrieben: „Selber hässlich.“ Möglicherweise eine Ex.
Halloween. Kein einziges Kind klingelt bei uns, um uns zu trick-or-treaten. Was auch gut ist, weil ich vergessen habe, Süßigkeiten zu kaufen.
01. November 2024, Berlin
Die Tochter hat Geburtstag. 21. Der nächste Schritt zur vollständigen Volljährigkeit ist geschafft: Jetzt darf sie auch in den USA Alkohol trinken.
02. November 2024, Berlin
Vorm „La Döner Vita“, der Imbissbude mit dem besten Namen in ganz Berlin (wenn nicht gar Deutschlands), aber leider nur sehr mittelmäßigem Essen, spielen zwei Männer Kontrabass und Trompete.
Die Trinker und Alltagsphilosophen, die sich regelmäßig hier treffen, um Bier zu trinken und Lebensweisheiten auszutauschen, sind wenig begeistert. Für sie ist diese Eventisierung der lokalen Gastronomie wahrscheinlich ein Vorbote der nahenden Gentrifizierung in Moabit. Die wird hier seit langem immer wieder beschworen, will sich aber nicht so recht einstellen.
03. November-2024, Berlin
Wie so reiche Menschen essen wir abends Sushi. Öffne den Glückskeks, der unserer Bestellung beiliegt. „Ein lang ersehnter Durchbruch kündigt sich an.“ Klingt eigentlich ganz gut. Bis meine Frau sagt: „Hoffentlich kein Darmbruch.“ Wie unpassend. Für zynische Kommentare bin doch ich zuständig.
Auf ihrem Zettel steht: „Sie schwanken in Ihren Gefühlen hin und her. Nicht voreilig entscheiden.“ Woher weiß der Keks, dass sie gerade ihre Tage hat?
(Sollte Mario Barth Interesse an diesem 1-Euro-Gag haben, möge er sich bitte unter shittyjokes@familienbetrieb.info melden.)
04. November 2024, Berlin
Der XING-Newsletter in meiner Inbox, von dem ich immer noch nicht weiß, warum ich ihn bekomme, hat den Betreff: „Re: AW: FW: Re: Wenn dein Postfach überläuft, befolge diese Tipps, Christian!“
Überraschenderweise lautet keiner der Ratschläge: „Lösche den Newsletter und alle Benachrichtigungen von XING.“
05. November 2024, Berlin
Entnehme einer Überschrift auf Spiegel Online, dass Helene Fischer eine Kinderlieder-CD herausgebracht hat. (Passiert ja sonst nichts Wichtiges auf der Welt, da kannst du ruhig solche Artikel veröffentlichen. Und lesen.)
Die Platte trägt den semi-originellen Titel „Die schönsten Kinderlieder“ und enthält, ebenfalls semi-originell, Evergreens wie „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“, „Alle meine Entchen“ oder „Häschen in der Grube“.
Das alles lässt für mich rückblickend das musikalische Oeuvre von Rolf Zuckowski in wesentlich positiverem Licht erscheinen.
06. November 2024, Berlin
Aufwachen um kurz nach halb sechs, Wahlergebnis in den USA checken. Seriously?
Heute ist Umarme-einen-Bären-Tag. Aber nur wenn er will!
08. November 2024, Berlin
Meine Frau erzählt, die politische Lage schlage ihr aufs Gemüt. Alles fühle sich schwer an. Das Aufstehen, das Fertigmachen, das Arbeiten.
Sogar die Fahrt ins Büro sei heute Morgen anstrengender gewesen. Sie habe viel mehr in die Pedale treten müssen, trotzdem sei sie kaum vorangekommen. Gut, es stellte sich dann raus, dass das Schutzblech verbogen war, am Hinterrad entlangschabte und wie eine Bremse wirkte.
Donald Trump, Christian Lindner, Olaf Scholz und Friedrich Merz sind doch nicht an allem schuld.
09. November 2024, Berlin
Eine Bekannte erzählt, ihre sechsjährige Tochter habe nach dem Wahlsieg von Donald Trump gefragt, ob es im Supermarkt jetzt noch den leckeren Joghurt gäbe. Klingt erstmal kindlich naiv, wie sie ein weltveränderndes Ereignis wie die neue Präsidentschaft der derangierten Orange mit ihrer eigenen Lebenswelt verknüpft. Vielleicht ist sie aber einfach besser informiert als wir und weiß, was Donald Trump mit der globalen Joghurtproduktion im Schilde führt.
10. November 2024, Berlin/Köln
Fahrt nach Köln zum morgigen Karnevalsauftakt. Ich finde, nach dieser Woche habe ich eine Prise Eskapismus mehr als verdient.
Zum Abschluss des Urlaubs wollen wir nochmal Essen gehen. Im Sinne des „Never change a winning team“ hat meine Frau für 19 Uhr einen Tisch im El Pósit reserviert. Wahrscheinlich vollkommen unnötig, weil Spanierinnen zu dieser frühen Uhrzeit niemals zu Abend essen würden. Aber es ist Freitagabend und man weiß ja nie. (Better safe than sorry. And hungry.)
Nutzen gegen 17 Uhr ein Nicht-Regen-Fenster und spazieren los. Wir erreichen Cambrils viel zu zeitig, drücken uns in ein paar Läden rum, schlendern durchs Städtchen, suchen Schutz unter verschiedenen Markisen vor dem wiedereinsetzenden Regen, bis es endlich 18.40 Uhr ist und nicht mehr ganz so peinlich viel zu früh ist, um in der Tapas-Bar aufzuschlagen.
Der Laden ist spärlich besucht und wir können uns einen Tisch aussuchen. Wir nehmen den gleichen wie beim letzten Mal. Ein bisschen aus Zufall, weil es der einzige 2er-Platz ist, der nicht an andere besetzte Tische grenzt. Schließlich wollen wir nicht die Creeps sein, die sich in einem fast leeren Restaurant direkt neben andere Gäste setzen. Ein bisschen wählen wir den Tisch aber auch mit Absicht aus, denn sozial herausgeforderte Menschen helfen Routinen, Bekanntes und Bewährtes. (Stichwort Stamm-Fake-Trikot-Verkäufer)
Auch diesmal bestellen wir eine Karaffe Sangria. Ursprünglich wollte ich nur ein Glas nehmen und dann vielleicht ein zweites. Die Preispolitik des Lokals zwingt uns aber zu dem Liter, denn der kostet genauso viel wie drei Gläser.
Bevor die Bedienung kommt, deeple ich mir den Satz „Einen Krug Sangria, bitte.“ zusammen. „Una jara de sangria, por favor“, sage ich zu der Frau. Die schaut mich völlig verständnislos an. Dabei hatte ich das doch vorher mehrfach fließend, fehler- und akzentfrei aufgesagt. In meinem Kopf.
Anscheinend habe ich keinen Krug Sangria geordert, sondern irgendetwas anderes gesagt. Im besten Fall: „Sie tragen eine schöne Bluse“, im schlechteren „Sie haben einen schönen Busen.“ und im allerschlechtesten „Sie haben keinen schönen Busen.“
Das Gesicht der Kellnerin bleibt ein einziges Fragezeichen. Daher sage ich „Sangria“ und halte meine flachen Hände in einem Abstand von circa 30 Zentimeter übereinander. Die international anerkannte pantomimische Geste für Krug. „Ah“, sagt die Frau nun. „Un litre.” Geht doch.
Dafür, dass wir normalerweise nur wenig Alkohol konsumieren, meist nur in Gesellschaft, haben wir im Urlaub ziemlich viele Krüge Sangria getrunken. Etwas bedenklich, aber nun mal auch sehr lecker.
Zum Essen nehmen wir wieder die Kartoffeln und das Käsebrett. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, wir müssten zwangsneurotisch immer alles auf die exakt gleiche Weise tun, wählen wir diesmal statt der Scampi und des Hühnchens die hausgemachten Nachos mit Guacamole (knusprig), frittierten Kabeljau mit holzgeröstetem Pfeffer und Muskatwein (außen knusprig, innen zart) sowie Schweinegulasch nach Art des Hauses mit einer Sauce aus getrockneter roter Paprika, Knoblauch und spanischem Rotwein (zart).
Beim Nachtisch gilt wieder, das winning team nicht zu changen, da wollen wir keine Kompromisse eingehen. Nicht aufgrund irgendwelcher Zwangsneurosen, sondern weil die Brownies und der Käsekuchen so unfassbar lecker waren.
Der Kellner zieht zwar kritisch die Augenbrauen hoch, als wir zwei Nachtische bestellen, aber das ist uns egal. Hält er uns halt für verfressen. Das ist der Vorteil, wenn du einen halben Liter Sangria intus hast, dann ist dir selbst als people pleaser vollkommen wumpe, was andere von dir denken. Vor allem, wenn es um Nachtisch geht.
Insbesondere der Käsekuchen ist wieder ein Gedicht. Eine Ode an Fett, Zucker und kurzkettige Kohlenhydrate. Wer auch immer ihn gebacken hat, ich möchte diese Person heiraten. (Falls meine Frau etwas dagegen hat, wäre ich offen für eine polyamore Beziehung.) Noch lieber würde ich den Kuchen selbst heiraten. Und da lasse ich mich von meiner Frau auch nicht zu einer Dreierbeziehung überreden, den will ich ganz für mich allein.
Der Tag endet für mich, wie er begonnen hat: nass. Daran bin ich selbst schuld. Zu Beginn unseres Heimwegs sage ich: „Hoffen wir, dass es bei den paar Tropfen bleibt, und keinen richtigen Schutt gibt.“ Das löst natürlich einen kosmischen Schmetterlingseffekt aus, der dafür sorgt, dass es nicht bei den paar Tropfen bleibt, sondern einen richtigen Schutt gibt. Dabei bleibt kein Auge und vor allem kein Kleidungsstück trocken.
„Da fällt einem der Abschied etwas leichter”, versucht meine Frau das Positive an unserer Situation zu sehen.
Bilanz des Tages
35,02 Kilometer gelaufen
49.363 Schritte gegangen
2x pitschnass geworden
2 Kniffel (wieder ehelich geteilt)
38 Punkte Vorsprung beim Kniffel-Urlaubs-Duell
1 Liter Sangria getrunken
1 göttlichen Käsekuchen gegessen
Muchas gracias, Vilafortuny, Cambrils und Salou, ihr ward gut zu uns. Und heute ward ihr ein wenig nass zu uns. Adios!
Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.
Der letzte Urlaubstag beginnt wie der erste. Mit klingelndem Handywecker um 6 Uhr. Der letzte 35-Kilometer-Lauf des Urlaubs steht an. (Eigentlich liegt der lange Lauf immer auf dem Samstag, aber da reisen wir, auf den Sonntag schieben geht auch nicht, da reisen wir immer noch, und einfach ausfallen ist ebenfalls keine Option, von wegen böses Erwachen beim Köln-Marathon und so.)
Das Wetter macht die Aussichten auf den heutigen Lauf noch unschöner. Es regnet. Nicht nur ein paar Tropfen, sondern richtig ordentlich Schutt. Niederschlagslevel Monsun.
Erstmal abwarten und im Handy versinken. 30 Minuten später. Keine Änderung an der Wetterfront. Immer noch Regen, immer noch richtig ordentlicher Schutt, immer noch Niederschlagslevel Monsun.
Vom Balkon aus sehe ich einen einsamen Läufer auf der Strandpromenade vorbeiziehen. Streber.
Weiter abwarten. Zwei Bananen, einen Kaffee und eine Handy-Session später weiterhin Dauerschutt, nach einer nächsten Scrolling-Session und dem Dehnprogramm, hat der Regen aufgehört. Beziehungsweise nieselt nur noch. Keine Ausreden mehr, die Ferienwohnung nicht zu verlassen und loszulaufen.
Die DSGVO, so beliebt wie Zitronat, Orangeat, Rosenkohl und Kapern. Daher auch diese Woche der Hinweis: Durch die eingebetteten Posts der diversen Social-Media-Plattformen können deren Betreiber wahrscheinlich irgendetwas herausfinden, was Sie im Internet so machen. Und zwar weil ich die Posts nicht hinter leserinnenunfreundlichen opt-in-Verfahren versteckt habe. Wenn Sie das nicht möchten, ziehen Sie am besten schnell weiter. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.
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Wie jeden Freitag, das beste Familien-Gedöns der Woche. Auch diesmal ist die Auswahl gekennzeichnet durch Intransparenz, Subjektivität und Inkompetenz.
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Aufmerksame Stammleser*innen kennen inzwischen mein liebgewonnenes Morgenritual. Auf dem Balkon sitzen, mit Kaffee und Keks den Meerblick genießen. Seit Beginn des Urlaubs habe ich dafür einen Stammplatz, seit 11 Tagen sitze ich ganz rechts, mit bester Sicht auf Strand und Wasser.
Heute ist alles anders, heute sitze ich ganz links, mit ein bisschen Meerblick und ganz viel Andere-Ferienwohnungen-Blick. Von Genießen keine Spur, ich bin hochgradig angespannt, habe den Keks hinuntergeschlungen und trinke meinen Kaffee in kleinen, hektischen Schlucken. Immer wieder schaue ich mich paranoid um.
Der Grund für meine Nervosität: eine monströs große Heuschrecke. Die habe ich heute früh an der rechten Balkontür entdeckt. Dort hockt sie fast auf Höhe meines angestammten Platzes. Sie kommt mir bekannt vor. Ich glaube im letzten Jurassic-World-Film hat sie als Stuntdouble für den riesigen Dinosaurier zum Schluss mit dem T-Rex gekämpft. Bei der Größe der Heuschrecke gehe ich davon aus, sie ist in einem Atomkraftwerk aufgewachsen.
Wenigstens hat sich das Ding nicht in unsere Wohnung verirrt. Eine Vorstellung, die mich an den Rand einer Ohnmacht bringt.
Die Heuschrecke ist immer noch da. Wir müssen sie wohl als neue Mitbewohnerin akzeptieren. Aber nur auf dem Balkon!
Möglicherweise sieht sie uns ebenfalls als Mitbewohner*innen an, die sie allerdings allenfalls duldet. Wahrscheinlich mehr als ehemalige Mitbewohner*innen in spe. Oder als Abendessen. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Im Gegenteil.
Vielleicht sollte ich ihr einen Namen geben. Wenn dich jemand mit Namen anspricht, hast du mehr Skrupel, ihn aufzufressen. Ich nenne sie Helga.
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Nach dem Frühstück passen wir ein Nicht-Regen-Fenster ab und gehen zum Supermarkt. Proviant für die Heimfahrt besorgen. Auch so ein unschönes Wort: Heimfahrt. Wenn du über Heimfahrt nachdenkst, hast du keine Möglichkeit mehr, dir schönzureden, dass der Urlaub doch noch nicht bald zu Ende ist.
Wir kaufen Brot, Belag, Äpfel und – ganz wichtig – Knabberzeug und Kekse. Außerdem ein Bounty. Das essen wir schon am Nachmittag. Quasi als Trauerarbeit ob des nahenden Urlaubsendes.
Als wir vom Supermarkt zurückkommen, steht die Haustür offen. Jemand hat einen Keil untergeschoben, damit sie nicht zufällt. Das könnte mir egal sein. Aber an der Wand hängt ein Zettel mit dem Hinweis, die die Tür solle zu jeder Zeit zu sein. Auf Spanisch, Englisch und Deutsch. Wer auch immer den Zettel aufgehängt hat, scheint es sehr ernst mit der geschlossenen Tür zu meinen.
Könnte ich trotzdem ignorieren. Schließlich habe ich mich nicht über die Vorschriften hinweggesetzt und die Tür aufgelassen. Mein Problem ist jedoch, dass ich mich sehr häufig für Sachen verantwortlich fühle, für die ich gar nicht verantwortlich bin. Zum Beispiel für offene Türen, die nicht offen sein sollen.
Überlege, die Tür zuzumachen. Damit alles seine Ordnung hat. (Der deutsche Untertan ist stark in mir.) Allerdings trägt vielleicht die Person, die den Keil untergeschoben hat, gerade schwere Gegenstände ins Haus – Einkäufe, Getränkekisten, Waschmaschinen. Somit würde sie das Schließen der Tür verärgern. Das möchte ich unter keinen Umständen. (Der People Pleaser ist ebenfalls stark in mir.)
Beschließe schließlich, die Tür offen zu lassen. Weil mich das ja wirklich nichts angeht. Nun werde ich den Rest des Tages darüber nachdenken, ob ich sie nicht doch besser zugemacht hätte.
Nachmittags kleiner Spaziergang die Strandpromenade entlang. Wie in einer Rentnersimulation. „Oldie but Goldie 2024“ (Jetzt auch mit mobilem Blasenkatheter.) Verzichte trotzdem darauf, mit auf dem Rücken verschränkten Armen zu flanieren. Eigentlich schade, das wäre bestimmt bequem.
Überholen eine Frau mit Kind auf dem Arm. Die Kleine ist quengelig. Unzufrieden mit sich, der Welt und der Gesamtsituation. Es ist ja auch schon 18 Uhr, da kann man schon mal quengelig und unzufrieden sein.
Die Mama sagt sehr mitfühlend: „Life is hard, sweety.“ Ich weiß nicht, ob sie mit ihrer Tochter spricht oder mit sich selbst. Vielleicht sollte ich ihr die Bimmelbahn zwischen Salou und Cambrils empfehlen.
Abendessen auf dem Balkon. Heute haben wir weniger Augen für die Selfie-/Foto-Aktivitäten am Strand, sondern achten mehr auf die Balkontür. Dort sitzt immer noch Helga. Das ist unangenehm, dafür hockt sie wenigstens nicht bei uns am Tisch. Sollte sie fragen, würden wir ihr das natürlich erlauben. Und dann drinnen essen.
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Der Morgen präsentiert sich mit grauer Wolkendecke. Am Horizont sieht der Himmel aus wie das Nichts in „Die Unendliche Geschichte“. Aber es regnet nicht. Wo Nichts ist, kann kein Regen fallen.
Ich esse eine Banane. In der Ferne segelt auf dem Meer ein Segelboot ohne Segel. Heißt das dann überhaupt segeln?
Über den Strand spaziert eine Frau mit Stockschirm unter dem Arm. Wahrscheinlich weiß sie nicht, dass es im Nichts nicht regnet. Zeit für mich, laufen zu gehen, bevor ich noch mehr wirre Gedanken habe.
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Ich beklage mich weiterhin nicht, ich stelle lediglich fest. Oder wie Thomas Gottschalk zu seinem neuen Buch „Ungefiltert“ schreibt: „Ich beschwere mich aber nicht, sondern wundere mich nur.“ Was übersetzt so viel bedeutet wie, dass er sich auf jeden Fall und definitiv beschwert. Ein Grund, das Buch nicht zu lesen.
Auch sonst fallen mir keine Gründe für die Lektüre ein. Möglicherweise tue ich Thomas Gottschalk unrecht, aber ich glaube nicht, dass sein Buch ausreichend horizonterweiternd für mich ist. Dafür habe ich meinen eigenen inneren Boomer, den ich manchmal nur mit Mühe zähmen kann. Der wundert sich schon genug. (Fasst aber wenigstens dienstlich keine Frauen an. Undienstlich auch nicht.)
In der Buchankündigung schreibt Thomas Gottschalk noch, dass er sich nicht nur Gedanken über die Zeit macht, in der wir leben, sondern sie auch ausspricht. Mir wäre lieber, er behielte sie für sich, und falls nicht, dass er sie nur gefiltert kundtut.
Beobachte am Strand das Meer, das sich bei jeder Welle in seinen Ausläufern unserem Liegeplatz bedrohlich annähert. Man müsste mal die Tücher, Taschen und Schuhe weiter nach oben ziehen. Dazu müsste man aber aufstehen und das erfordert einen Energieeinsatz, zu dem ich mich gerade nicht in der Lage fühle. Stattdessen hoffe ich auf einen Adrenalin-Kick, wenn mir das Wasser fast über die Füße schwappt, der mir ermöglicht, in letzter Sekunde aufzuspringen und alles in Sicherheit zu bringen.
Wir sind nun schon seit zwei Stunden am Strand. Gerate allmählich in Zugzwang, tatsächlich ins Wasser zu gehen. Zum einen habe ich mit meiner Badehose ein Statement gesetzt, das insbesondere bei meiner Frau Erwartungen geweckt hat.
Zum anderen sind wir nur noch vier Tage hier. Wenn du in einem zweiwöchigen Strandurlaub kein einziges Mal ins Meer gegangen bist, giltst du schnell als „merkwürdig“. Mein Schwimmstil allerdings auch.
Ich wäre ein wesentlich besserer Schwimmer, müsste man dabei nicht mit dem Kopf unter Wasser. (Ein noch besserer Schwimmer wäre ich, bliebe das Element Wasser gänzlich außen vor.) Das finde ich äußerst unangenehm. Für Augen, Ohren und Nase. Außerdem funktioniert das mit der Atmung unter Wasser bekanntlich nicht.
Ich bin von wenigem so überzeugt wie davon, dass weder Gott noch die Evolution möchten, dass wir mit dem Kopf untertauchen. Sonst hätten wir schließlich Kiemen. (Und Schwimmbrillen, die sich vor die Augen stülpen, sobald du unter Wasser gehst.)
Ich würde sogar behaupten, freiwillig zu schwimmen ist eine Verhöhnung der Evolution. Vor hunderten Millionen Jahren haben doch nicht die ersten Lebewesen das Wasser verlassen und sich in einem sehr mühseligen Trial-and-error-survival-of-the-fittest-Prozess zu Menschen entwickelt, damit ich jetzt zurück ins Meer latsche.
Andererseits habe ich extra die Badehose angezogen, da wäre es irgendwie schade, sie nicht zu nutzen. Entledige mich also als erstes meines T-Shirts und hoffe, die anderen Strandbesucher*innen werden nicht schneeblind. Da ich nie oberkörperfrei am Strand liege (Stichwort Hautkrebs) und durch die viele Lauferei habe ich recht braune Arme und Beine, aber einen sehr weißen Oberkörper. Sehr, sehr weiß. Weißer als das Nachher-Hemd in der Waschmittelwerbung. Sogar weißer als ein Treffen des CDU-Ortsverbandes Zehlendorf.
Trete schließlich den Gang ins Meer an, das sich angenehm erfrischend an den Füßen präsentiert. Im Gegensatz zum Untergrund, der unangenehm steinig ist. Dann kommt plötzlich eine Stufe und ich gerate ins Taumeln, als hätte ich mir heute früh die Frühstücksbiere genehmigt.
Whity Whiteman auf dem Weg ins Wasser
Aus der Not eine Tugend machend, stürze ich mich direkt ins Wasser und mache ein paar Schwimmzüge oder so etwas ähnliches. Dann lasse ich mich von den Wellen treiben und tauche kurz mit dem Kopf unter, denn du kannst nicht im Meer gewesen sein und mit trockenen Haaren wieder rauskommen. (Stichwort merkwürdig) Anschließend kehre ich zurück zu unserem Liegeplatz, zufrieden den Punkt „im Meer baden“ von der Urlaubs-To-Do-Liste streichen zu können.
Meine Frau dokumentiert meine Meer-Expedition mit ein paar Fotos in der Familien-WhatsApp-Gruppe und versieht diese mit unangemessenen „es geschehen noch Zeichen und Wunder“-Bemerkungen.
Merkwürdige Installation, Teil 1Merkwürdige Installation, Teil 2
Irgendwann erscheint doch noch ein Mann. Er trägt ausschließlich schwarze Shorts und versucht, ein Selfie zu machen. Glaube ich zumindest. Aus der Ferne ist das nicht eindeutig zu erkennen. Vielleicht macht er auch sehr langsames Schattenboxen.
Bilanz des Tages
11,04 Kilometer gelaufen
14.037 Schritte
0 Frühstücksbiere
3 Minuten im Meer
1-mal mit dem Kopf unter Wasser
2 Kniffel (einer für mich, einer für meine Frau, ihrer der Herzen)